Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 50. Hermann Balti (Graz): Beiträge zur Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifikationen im 15. und 16. Jahrhundert
24 Beiträge zur Geschichte der steirischen und österreichischen Strafrechtskodifikationen im 15. und 16. Jahrhundert. Von Hermann Balti (Graz). Unter den für die Geschichte des österreichischen Strafrechts im 16. Jahrhundert in Betracht kommenden heimischen Rechtsquellen nehmen die als „Landgerichtsordnungen“ bekannten Kodifikationen den hervorragendsten Platz ein. Gemessen an ihrer lang nachwirkenden Bedeutung, die ihnen nicht nur inhaltlich sondern auch wegen des in ihnen verwirklichten grundsätzlichen Bruches mit der Gesetzgebungstechnik der früheren Zeit zukommt, sind diese Schöpfungen weitaus zu wenig beachtet und im Hinblick auf ihre Quellen, Vorlagen und ihre Kodifikationsgeschichte zu wenig untersucht worden. Diese Feststellung läßt nur wenige Ausnahmen zu, unter denen für den hier behandelten räumlichen Bereich nur die Arbeit von Fritz By 1 off „Die Land- und peinliche Gerichtsordnung Erzherzog Karls II. für Steiermark“ zu nennen ist; diese 1907 erschienene Veröffentlichung bildete den unmittelbaren Ansatzpunkt zur Beschäftigung mit der durch Byloffs Arbeit nicht vollkommen geklärten Geschichte der steirischen Landgerichtsordnung, bzw. der Strafrechtskodifikationen in Steiermark vor 1574. Im Lauf dieser Studien ergab sich neben speziell Steiermark betreffenden, teilweise Byloff ergänzenden Ergebnissen auch ein, wie mir scheint, nicht unbedeutender Einblick in Plan und Absicht einer für ganz Niederösterreich vorgesehenen Kodifikation, die den Gedanken der einheitlichen Strafgesetzgebung 200 Jahre vor Maria Theresia zu verwirklichen suchte 1). In diesem Sinne handelt es sich hier somit nicht um eine geschlossene, auf Steiermark beschränkte Darstellung einer rechtsgeschichtlichen Novität, sondern um Beiträge und Ergänzungen zur Geschichte einer bisher zu Unrecht vernachlässigten Materie. Während das 15. Jahrhundert verhältnismäßig wenig strafrechtliche Gesetze kannte und vorwiegend das alte Herkommen, die Gewohnheit, pflegte und weiterbildete, tritt hier im 16. Jahrhundert eine folgenreiche Wandlung ein: Jedes einzelne Land erhält eine — wenn auch vielfach auf altem Herkommen beruhende — Kodifikation seines Strafrechts, die den ausdrücklichen Zweck hat, der bisherigen Rechtsunsicherheit ein Ende zu machen. Auch in Österreich bringt man neben anderen Ursachen gemeiniglich diese Entwicklung mit dem Inkrafttreten der Carolina in Zusammenhang, die man gewissermaßen als Stimulans für diese Absicht zu betrachten pflegt; das ist, wie sich zeigen wird, irrig. Die zeitliche Reihenfolge der einzelnen Landgerichtsordnungen im österreichischen Alpenland geht aus der folgenden Tabelle hervor: Tirol Laibach Niederösterreich Krain Oberösterreich Steiermark Kärnten 1499 1514 1514 1535 1559 1574 1577 (21. August 1514) Für Steiermark und Kärnten sind also, das fällt bei ihrer Bedeutung als Kernland Innerösterreichs auf, erst gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts Landgerichtsordnungen bezeugt, während z. B. Laibach schon 1514 eine Ordnung erhielt. b Darauf weist auch die Abhandlung des Verfassers zur Geschichte der kärntnerischen Landgerichtsordnung von 1577 hin, Carinthia I 139, 1949, S. 331 ff.