Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

VI. Kirchengeschichte - 63. Andreas Posch (Graz): Die deutsch-katholische Gemeinde in Wien

Die deutsch-katholische Gemeinde in Wien. 281 katholischen und durch Übertritte zur evangelischen Konfession vermindert habe. Besonders letzteres kam häufig vor: Als der deutschkatholischen Gemeinde die Anerkennung verweigert, ihr Gottesdienst erschwert wurde und besonders nach der Auflösung derselben, traten viele ihrer Mitglieder in die evangelische Kirche ein *). Die Verbindung mit den radikalen Elementen des Jahres 1848 hatte der Bewegung in Wien eine gewisse Bedeutung verschafft, 6000 Mitglieder der Gemeinde sind immerhin eine beachtenswerte Zahl. Die nämliche Verbindung wurde ihr in der Zeit der politischen Reaktion verhängnisvoll. Die Gegner hatten nie versäumt, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen und die Staatsgefährlichkeit der Deutschkatholiken zu behaupten. In diesem Lager wurde die Auflösung begrüßt, „weil der Zweck des Vereines die allgemeine Verwirrung und Vertierung“ gewesen sei, „der Schandfleck der bürgerlichen Gesellschaft ist abgewaschen“, sagt sichtlich übertreibend eine Stimme 2). So wie der Deutschkatholizismus eine Absplitterung vom Katholizismus darstellt, so gab es bei den Evangelischen in Wien eine ähnliche Erscheinung, die sogenannte „Neue evangelische Kirche“. Diese hatte aber stets nur geringen Anhang. Die neuen evangelischen Christen gaben sich eine sehr freie Gemeindeverfassung und erwählten einen Prediger namens Kölmel. In seiner Wohnung wollten sie sich versammeln und Gottesdienst halten. Der Stadtkommandant von Wien verbot ihnen dies und nun wandten sie sich mit einem Rekurs an das Ministerium des Inneren 3). Die Bittsteller werden bedeutet, sie mögen die Antwort des Kultusministers ab warten, welchem die Entscheidung übertragen wird. Zugleich wird die niederösterreichische Landesregierung mit Erhebungen beauftragt. Diese scheinen länger gedauert zu haben, denn erst am 10. März 1851 erfolgt der Bescheid 4). „Weil die sogenannte „Neue evangelische Kirche“ nicht zu den gesetzlich anerkannten Religions­gemeinschaften gehört, so haben ihre Anhänger kein Recht auf gemeinsamen Gottesdienst. Zudem hat die erst im Entstehen begriffene Sekte ganz geringen Anhang; besonders die leitenden Ausschüsse sind zu überwachen, jeder Akt der Ausübung und Verbreitung ihrer Lehren und Gebräuche, all die gottesdienstlichen Funktionen sind zu verhindern. Davon sind der Wiener Stadthauptmann und der Generalstaatsanwalt zu verständigen, damit sie in ihrem Wirkungskreis das Entsprechende vorkehren. Mit der Auflösung der Vereinigung der Deutschkatholiken war allerdings kein Zwang für den einzelnen verbunden, wieder in eine bestehende Religionsgemeinschaft einzutreten. Noch 1852 protestieren Deutschkatholiken gegen das Verbot von Taufen, Trauungen und Begräbnissen, es sei ein Widerspruch, ihnen dies zu verweigern und sie persönlich zu dulden. Die Kinder allerdings mußten in einer bestehenden Konfession getauft und erzogen werden. Eine neuerliche Hausdurchsuchung beim Vorstand Peßnegger förderte betreffs vorgenom­mener Taufen neues Material zutage, welches von der Statthalterei sowohl dem Magistrate als dem erzbischöflichen Ordinariate mitgeteilt wurde, damit unterlassene Taufen nachgeholt und die Taufmatriken ergänzt würden 5). Trauungen von Deutschkatholiken galten als nicht vollzogen. Da es zu jener Zeit auch keine Notzivilehe gab, konnten Deutschkatholiken überhaupt keine gesetzlich anerkannte Ehe schließen. Nur stille Beerdigungen kamen noch vor und waren auch nach der Auflösung noch erlaubt. Die Pfarrer sollten wachen, daß solche Beerdigungen in aller Stille vorgenommen würden 6). Aus dem Jahre 1852 werden 14 Fälle solcher Begräbnisse gemeldet, die der Magistrat zu ermitteln und den kirchlichen Behörden mitzuteilen hat. Letztere werden gemahnt, die Sterbefälle in die Matriken einzu­x) In Graz, wo sich die Reste der Deutschkatholiken hartnäckig erhielten, wurde die Übertritts­bewegung polizeilich erschwert. Siehe Posch, a. a. O., S. 110 ff. 2) WKZ. vom 4. Dezember 1851. 3) Rekurs vom 14. Juni 1850 gegen die Verfügung des Stadtkommandanten vom 25. April 1850. 4) Erlaß des Ministeriums für Kultus und Unterricht an den Statthalter von Niederösterreich. 5) Statthaltereibericht vom 29. August 1853. 6) Bericht des Ministeriums des Inneren an den Statthalter von Niederösterreich vom 4. Dezember 1853.

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