Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)

V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 57. Johannes Baur (Brixen): Die Brixner Synode von 1318 in ihrer liturgiegeschichtlichen Bedeutung

132 Baur, Als Formen der Tonsur haben sich schon im 6. Jahrhundert vor allem zwei heraus­gebildet: Im Abendland die „tonsura S. Petri“; im Morgenland die „tonsura S. Pauli“, die in einer völligen Rasur des ganzen Haupthaares bestand. Die abendländische Form bestand darin, daß man das ganze Haupt kahl sch or und nur einen Kranz von Haaren (corona) stehen ließ x). Der Haarkranz verbreitete sich immer mehr, so daß schließlich nur mehr eine kleine, kreisrund („rotunda corona“) kahle Stelle am Scheitel blieb — unsere jetzige römische Form. Aus gleichzeitigen Synodalbestimmungen (Synoden von Ravenna 1314 bis 1318) ersehen wir, daß sich schon früh ein Unterschied zwischen der Tonsur der höheren und jener der niederen Kleriker entwickelte * 2). So finden wir auch im c. 2 die Bestimmung, daß alle Kleriker die ihrem Weihegrad entsprechende Tonsur tragen sollen unter Androhung der Inkurrierung einer entsprechenden Kirchenstrafe. C. 44 enthält Bestimmungen über die klerikale, d. h. außerliturgische Kleidung der Geistlichen. Wie es ursprünglich keine liturgische Gewandung im heutigen Sinne gab, so finden wir auch keine besondere klerikale Kleidung, die sich von der profanen Tracht unterschieden hätte. Doch wurde schon von Synoden des 6. Jahrhunderts den Geistlichen verboten, sich weltlicher Kleider und weltlichen Schuhwerkes zu bedienen. Erstmals erließ das 4. Laterankonzil (1215) allgemein verpflichtende Bestimmungen über die klerikale Kleidung 3). So verbot z. B. das Konzil das Tragen von vorn offenen, von zu kurzen oder zu langen Kleidern, von Schnabelschuhen, von Cappae manicatae, d. h. mit Ärmeln usw. Doch scheinen diese gegen die Verweltlichung der Tracht der Geistlichen gerichteten Bestimmungen keinen durchschlagenden Erfolg gehabt zu haben, denn auch unsere Synode sieht sich gezwungen, dagegen Stellung zu nehmen. In der Öffentlichkeit haben die Geistlichen als Obergewand den Mantel (Mantellum aut clamis) zu tragen. Ebenso sollen Priester und Diakone keine Kleider mit enganliegenden Ärmeln (stricta brachialia) und kein außer­gewöhnliches Schuh werk (stricti calcei) anziehen. Die liturgische Gewandung. Wie schon oben bemerkt, gab es ursprünglich auch keine liturgische Kleidung, die ausschließlich bei gottesdienstlichen Verrichtungen getragen wurde. Wohl aber hat der Liturge schon in frühchristlicher Zeit bei gottesdienstlichen Feiern nach Möglichkeit bessere Kleider angezogen, die dann im Alltag nicht mehr getragen wurden. Eine eigentliche liturgische Kleidung entwickelte sich erst im 4. Jahrhundert, die Entwicklung war im 8. Jahrhundert der Hauptsache nach abgeschlossen 4). Im folgenden geben wir eine Darstellung der in den Synodalstatuten erwähnten liturgischen Kleidungsstücke. Superpelliceum 5). In den Statuten kommen beide Formen, die verderbte Form „suppelliceum“ (c. 3) und die richtige Form „superpelliceum“ (c. 24) vor. Seinen Namen hat das Gewand erhalten, weil man es über der pellicea, der Pelztunika trug, deren man sich im Mittelalter zur Winters­zeit im Chor bediente. Erst zur Zeit der Abhaltung unserer Synode im 14. Jahrhundert gewinnt das Superpelliz allgemeine Verbreitung. Aus dem Mittelalter kennen wir drei *) Eine solche Tonsur sehen wir auf einem alten Bild aus dem 17. Jahrhundert des Brixner Bischofs Kardinal Nikolaus von Cues (f 1464) im Wappensaal der Hofburg in Brixen (siehe Tafel II) und am Grabdenkmal des Kardinals in der Basüika von S. Pietro in Vincoli in Rom. 2) Lateran. IV., c. 16; siehe: Eisenhofer, Handbuch der katholischen Liturgik, II, S. 371—372; Gobillot Ph. in: Revue Hist. Eccl. 1925, S. 399—454. 3) Lateran. IV., c. 16. 4) Braun J., Handbuch der Paramentik (1912), S. 78. 5) c. 3, 24.

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