Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/2. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1951)
V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte - 49. Erwin M. Auer (Wien): Die Ordensgarderobe. Ein Beitrag zur Geschichte der kleinen Wiener Hofdienste. (Mit 1 Tafel.)
4 Auer, Ordensritter und Ordensoffiziere 1), ernannte 21 neue Ritter 2) und bestimmte den Matthiastag (24. Februar) für deren feierliche Promotion, welche avec toutes les Solemnités des anciens Chapitres 3) und daher in den statutengemäß vorgesehenen rotsamtenen und reich goldverzierten Ornaten 4) abgehalten werden sollte. Da die vom Schatzmeister Humyn in Brüssel verwahrten alten roten 15 Mäntel, 10 Unterkleider und 10 Kappen 5) für die Einkleidung von 21 Rittern nicht ausreichten, erhielt Humyn den Auftrag, sofort von Brüssel einen kompletten Ornat als Muster nach Wien zu schicken. Trotz mehrmaliger Urgenz seitens des Greffiers Imbsen kam der Musterornat nebst 11 Kollanen nicht zuletzt wegen der Unsicherheit der direkten Route erst nach dem 20. März in Wien an 6). Die von vorneherein zu früh angesetzte Promotion wurde daher nur in einfacher Form am Ostersonntag, den 27. März 1712, abgehalten. Die Ritter nahmen im Hofkleide teil und schon damals wurden als Unterlage für die Kollanen 14 neue, auf Kosten der Kandidaten verfertigte, goldverzierte, rote Samtpolster verwendet, welche der Polstertaxe den Namen gegeben haben 7). Die großen solemnia restituta des Ordens aber sollten anläßlich des Titularfestes des Ordens am 30. November 1712 stattfinden und Imbsen erhielt den Auftrag, termingerecht 30 neue Ornate hersteilen zu lassen und sie aus dem Intercalar-Beträgen der eingegangenen Taxen 8) zu bezahlen. Der kaiserliche Quardarobba — es dürfte dies der seit 1. Oktober 1711 mit jährlich 200 fl. besoldete Andreas Ott gewesen sein 9) — stellte im Verein mit 86 Stickern den Ornat für den Souverän, 27 Ornate für Ritter und 2 Ornate für Ordensoffiziere innerhalb der befohlenen Frist her 10 *). Am 29. November nachmittags fanden die Vließritter in zwei Räumen der Burg die neuen Ornate auf Tischen vorbereitet vor, kleideten sich an und gaben dann mit dem Greffier und Wappenkönig in einem imposanten Zuge zu Pferd dem Souverän das Geleite, als er zur feierlichen Vesper von der Burg zum Stephansdome zog. Imbsen erzählt anschaulich, wie die Wiener dieses einmalige Schauspiel genossen. Concours du peuple etant extraordinaire, sagt er wohl mit Recht n). Im Hochgefühl des gelungenen Festes ließ Karl VI. eine Erinnerungsmedaille herstellen, die einen neuen Ornat bei dessen erster Verwendung zeigt (vgl. Tafel I, Abb. 1)12). Die Hof- und Ehrenkalender der Zeit zählen neben dem Titularfest und dessen Vesper nicht weniger als 54 kirchliche Feierlichkeiten auf, bei welchen die Ordensritter das grand collier, also die Vließkollane zum Hofkleid zu tragen hatten; es sei nur auf die Fron1) Anwesend waren: der Kammerdiener Johann Theodor von Imbsen, seit 1712 Greffier, daneben von 1720 bis 1742 Kanzler des Ordens; der Rat am Rechnungshof in Brüssel Claudius Franz von Humyn, Vicomte de St. Albert, Tresorier von 1707 bis 1735; geheimer Kammerzahlmeister Johann Baptist von Isendyck, Wappenkönig von 1709 bis 1734. Die Stelle des Ordenskanzlers war damals nicht besetzt. 2) Liste nominale des Chevaliers de VOrdre illustre de la Toison d'Or depuis son institution iusqu’ d nos jours, [Wien] 1904, Nr. 607 bis 627. 3) Z. 7/TO/1712. 4) Statuten des Ordens vom Goldenen Vließ. Aus dem mittelfranzösischen Originaltexte ins Deutsche übertragen vom Kanzler . . . A. Graf Polzer-Hoditz, [Wien 1923], Kap. XXV bis XXVII, Zus. Kap. III und XXI. 6) Z. 2/TO/1736; Inventar vom 19. Mai 1708, fol. 18v. ®) Acta ordinis, I, fol. 16v, 28; Z. 1, 2, 5 und 7/TO/1712. 7) Ebenda I, fol. 29 ff., 36v. Hinsichtlich der Polstertaxe vgl. ebenda 36v und unten Anhang, S. 19 f. 8) Vgl. unten Anhang, S. 18. 9) OMeA, Anweisung an den Hofkontrollor vom 23. März 1713. — Die Witwe nach Andreas Ott erhielt gemäß OMeA, Concentrations-Commissions-Referat vom 30. Jänner 1739 für sich und ihre fünf Kinder eine Hofpension. 10) Acta ordinis I, fol. 43' . u) Ebenda I, fol. 57 ff. 12) Original im KhM, Bundessammlung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen; rund eineinhalbfach vergrößerte Aufnahme mit der Plattennummer II 8990.