Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)

IV. Quellen und Quellenkunde - 46. Erich Zöllner (Wien): Aus unbekannten Diplomatenbriefen an den Freiherrn Franz Binder von Kriegeistein

746 Aus unbekannten Diplomatenbriefen an den Freiherm Franz Binder von Kriegeistein. Von Erich Zöllner (Wien), Man könnte den Freiherrn Franz Binder von Kriegeistein den Vergessenen unter den österreichischen Diplomaten des Vormärz nennen. Ein Mann, der von 1801—1843 im aktiven diplomatischen Dienst stand, zu den engeren Mitarbeitern Philipp Stadions und Metternichs gehörte und 1829 von sich sagen konnte, alle europäischen Staaten mit Ausnahme Spaniens als Diplomat kennengelernt zu haben, wird weder in Wurzbachs Biographischem Lexikon des Kaisertums Österreich, noch in der Allgemeinen Deutschen Biographie genannt, weder in dem monumentalen Metternich werk von Srbik, noch in den Büchern Bibis auch nur erwähnt. In den Aufzeichnungen der Berufskollegen, der europäischen Diplomaten seiner Zeit, tritt er wohl weit stärker hervor, gewiß aber zählte er nicht zu den im Blickfeld des allgemeinen Interesses der Gesellschaft agierenden Persönlichkeiten. Daß seine Tätigkeit indessen unsere Aufmerksamkeit verdient, soll im folgenden gezeigt werden. Die aus Kolmar stammende elsässische Patrizierfamilie der Binder, seit 1723 Reichsritter, später Reichsfreiherren ,,von Kriegeistein“ 1), stellte im 18. Jahrhundert dem österreichischen Staat eine Reihe befähigter Diener, teils Politiker, teils Militärs. An erster Stelle wird man den Referenten der geheimen Staatskanzlei, später Staatsrat Friedrich Freiherrn Binder von Kriegeistein nennen, der sich als vertrauter Mitarbeiter des Fürsten Kaunitz, sowie als philosophisch gebildeter Kopf allgemeine Anerkennung erwarb; sein Bruder Christian kämpfte als Infanterieoffizier mit Bravour im siebenjährigen Krieg und wurde mit dem Maria Theresien-Orden ausgezeichnet. Als Diplomat war schließlich Hofrat Anton Freiherr Binder, ein entfernter Vetter Friedrichs, lange Jahre in Neapel und der Türkei, zuletzt als k. k. bevollmächtigter Minister am niedersächsischen Kreise tätig. Es entsprach jedenfalls der Familientradition, wenn alle drei Söhne aus seiner Ehe mit Sophie von Hayd ihrerseits den kaiserlichen Dienst und wieder die diplomatische Laufbahn wählten, der älteste Karl ebenso wie unser Franz 2) und der jüngste der drei, Friedrich. Der Umstand der gleichen Berufswahl der Brüder macht es in der Folgezeit oft schwer, den in historischen Werken und amtlichen Schriften jeweils gemeinten ,,Baron Binder von Kriegeistein“ zu identifizieren, bisweilen muß man darauf verzichten und nicht selten lassen sich Irrtümer nachweisen 3). Nach dem Tode der Eltern — der Vater starb 1794, die Mutter sechs Jahre später, begann Franz seine Diplomatenkarriere 1801 als österreichischer Legationssekretär am königlich schwedischen Hof in Stockholm 4), wurde jedoch schon ein Jahr später in gleicher 1) Zur Genealogie der Binder-Kriegelstein vgl. Gothaisches geneal. Taschenbuch d. Freiherrlichen Häuser, 1870, S. 65, vgl. auch den Artikel ,,Pfeffel“, ebenda, S. 633. — Das Prädikat ,,v. Kriegeistein“ wurde vom ersten Reichsritter, Ludwig Binder gewählt, weil seine Gattin Marie, geb. Herr mütterlicherseits der gleichfalls kolmarischen, 1550 geadelten Familie Kriegeistein entstammte, deren Name damit erneuert wurde. Vgl. Gothaisches Taschenbuch, wie oben, Jg. 1855, S. 48. 2) Geboren am 3. Oktober, getauft am 4. Oktober 1774 auf den Namen Franz Seraph, Joseph, Friedrich. Wien, Schottenpfarrmatrik Bd. 38, f. 137. — Vgl. Genealogisches Quellenmaterial, Nachlaß August v. Doerr Nr. 12.633, Manuskript im Besitz der herald.-geneal. Gesellschaft Adler, Wien. 3) So sind alle Nennungen des Namens Binder-Kriegelstein in Metternichs nachgelassenen Papieren, hgg. v. R. Metternich u. Klinkowström, im Register durchaus zu Unrecht auf Karl Binder bezogen, während C. F. Wittichen in seiner Ausgabe der Gentz-Briefe, II, 263, Anm. 1, Friedrich für Franz substituiert. 4) Die folgenden Daten zur Laufbahn Franz Binders stammen — wo nicht anders angegeben — aus einem 1826 verfaßten Curriculum Vitae, Wien Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staats-Kanzlei im fol­genden abgekürzt: H. H. u. St. A., St. K., Personalia 2, fol. 274—277.

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