Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
IV. Quellen und Quellenkunde - 35. Alphons Lhotsky (Wien): Eine unbeachtete Chronik Österreichs aus der Zeit Kaiser Friedrichs III
Chronik Österreichs aus der Zeit Kaiser Friedrichs III. 547 richtig dargestellten Ursachen bestand zwischen Friedrich und den Cilliern ein nur durch Waffenstillstand gemilderter Kriegszustand. Sehr aufschlußreich sind nun die Ausführungen über Weißenfels. Man wußte bisher bloß, daß diese Burg 1431 vom Grafen Friedrich von Cilli errichtet wurde1); die Konnivenz Herzog Friedrichs IV. und das auffällige Unternehmen der Venetianer lassen sich in anderen Nachrichten nicht belegen. Man sieht, daß die Venetianer, die 1420 Friaul unter ihre Botmäßigkeit gebracht hatten, den Bau der Feste Weißenfels als eine ihnen unliebsame Sicherungsmaßnahme, wenn nicht gar als Drohung seitens der Görzer empfanden und anscheinend mit beträchtlichem Aufwande versucht hatten, den Bau zu verhindern. Richtig ist, daß damals Herzog Friedrich IV. nach dem Tode Ernsts, also 1424—1435, als Vormund der Söhne desselben in Krain gebot. Es ist gewiß kein Ereignis ersten Ranges, das hier, so weit bisher festzustellen war, zum ersten Male in chronikalischer Schilderung begegnet, aber dennoch ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Kenntnis der Ereignisse dieser von der Forschung noch recht wenig behandelten Epoche. Bemerkenswert ist die Haltung Friedrichs V. (III.), der die Nachsicht seines Vorgängers — dem wohl durch Rücksichtnahme auf Kaiser Sigmund die Hände gebunden waren — gegen das Haus Cilli nicht zu üben gedachte, sondern rundweg erklärte, Weißenfels sei gegen seinen Willen (als Herzog von Krain) gebaut, bzw. wiederaufgebaut worden — ein freilich sehr bedenkliches Argument, da er selbst ja 1431 noch minderjährig war. Da alle kontrollierbaren Nebenumstände der Prüfung standhalten, ist an der Richtigkeit auch dieser Erzählung kein ernstlicher Zweifel gerechtfertigt. Die Versöhnung der feindlichen Brüder erfolgte im März 1443. Aber auch hier muß dem Chronisten ein Verstoß gegen die zeitliche Folge der Ereignisse vorgeworfen werden: die Ausstattung Albrechts VI. mit Gütern in Innerösterreich, die Zuweisung der schwäbischen Besitzungen und der Summe von 18.000 Gulden war keineswegs das Ergebnis dieses Ausgleiches, sondern Gegenstand des Vertrages zu Hall i. T. am 5. August 14392)! Richtig ist aber, daß Friedrich (am 16. August 1443) auch mit den Cilliern Frieden schloß, den Grafen Friedrich und Ulrich die ihnen schon 1436 von Kaiser Sigmund gewährte Erhebung in den Reichsfürstenstand bestätigte und mit ihnen ein Bündnis schloß, dem der wenige Jahre später für Österreich so vorteilhafte Erbschaftsvertrag folgte3). Diese Übersicht zeigt, daß dem Chronisten immerhin einige nicht unwesentliche, jedenfalls willkommene Bereicherungen des Bildes zu danken sind, das man sich von den Vorfällen in den ersten Jahren Friedrichs III. gemacht hat. Schwerlich lagen dem Verfasser schriftliche Berichte vor: er bietet nur eine einzige Jahreszahl — und die ist falsch — und er hat sich zweimal zeitliche Verschiebungen zuschulden kommen lassen, die allzu deutlich beweisen, daß er hauptsächlich nach mündlichen Informationen schrieb, die allerdings in den Einzelheiten recht zuverlässig waren. Die Persönlichkeit des Verfassers ist nicht genauer erkennbar. Daß er auf das Alte Testament (Numeri 27,8) anspielt, beweist noch nicht, daß er Kleriker war. Wenn er Cicero zitiert und in Wirklichkeit einen Vers aus Lukans Pharsalia (I, 92) in deutscher Fassung bietet, so beweist dies nur, daß er ein fehlerhaftes Florilegium benutzte. Für den Grundsatz, daß man Gewalt mit Gewalt begegnen dürfe, findet sich in der Hl. Schrift wohl kein Beleg. Auffällig ist die Zurückhaltung in den Sympathien: der Verfasser ist weder für Friedrich III. noch für Albrecht VI. Er scheint weder für Österreicher geschrieben zu haben noch selbst ein Österreicher gewesen zu sein; vgl. dazu das germanistische Gutachten S. 544. Daß er Gelegenheit fand, die beschriebenen Futterale zu sehen, läßt keine besonderen Schlüsse x) Franz Krones Ritter von Marchland, Die Freien von Saneck und ihre Cillier Chronik (Graz 1883), II. Teil, S. 81 (c. 13). 2) Joseph Chmel, Materialien zur österreichischen Geschichte 1/2 (Wien 1838), S. 53 Nr. 36. 3) Alfons Huber, Geschichte Österreichs 3 (Gotha 1888), S. 49, sowie Joseph Chmel, Regesta chronolocico-diplomatica Friderici III. Romanorum imperatoris (Wien 1859), p. 152, n. 1514 (16. August 1443).