Leo Santifaller: Ergänzungsband 2/1. Festschrift zur Feier des 200 jährigen Bestandes des HHStA 2 Bände (1949)
IV. Quellen und Quellenkunde - 34. Anna Hedwig Benna (Wien): Iurisprudentia medii aevi: eine Handschrift der deutschen Bearbeitung des Ordo „Antequam“
518 Benna, Umstand, daß keine Formeln eingesetzt sind, deren Datierungen einen Terminus a quo geben. Die Rhetorik weist ihrem Charakter nach auf das 15. Jahrhundert. Klassikerzitate hat es wohl auch im hohen Mittelalter gegeben, doch hat die Rhetorik, die in diesem Werk eine Verbindung mit der Jurisprudenz eingeht, eine andere Funktion als etwa in der hochmittelalterlichen Rhetorica ecclesiastica1). Die der Rhetorik beigegebene Titulatursammlung ist ebenfalls dazu angetan, um brauchbare Gesichtspunkte für Datierungsfragen anzugeben. Das Vorkommen des Erzherzogstitels wird man nicht in die Zeit vor der Anerkennung der erzherzoglichen Würde für die Mitglieder der steirischen Linie des Hauses Österreich durch Friedrich III 1453 setzen dürfen2). Die Kapitel über Verträge weisen auf Zusammenhänge mit der grundherrlichen Sphäre. Eine Lokalisierung dieser Kapitel, welche inhaltliche Berührungen mit tirolischen Weistümern aufweisen 3), war nicht möglich, da die Edition der bayrischen und schwäbischen Weistümer — es dürfte sich wohl um eine im schwäbisch- bayrischen Grenzgebiet entstandene Arbeit handeln — seit Grimm keine nennenswerten Fortschritte gemacht hat4). Man wird nicht fehlgehen, diese Arbeit, in der rezipiertes, italienisches Recht deutschrechtliche Gedanken aufgenommen hat, dem österreichischen und bayrisch-schwäbischen Grenzraum in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zuzuweisen 5). Die unter III im Anhang abgedruckte Handschrift soll ein Beitrag für eine künftige Edition dieser Quelle sein. Eine abschließende Quellenforschung hätte den Rahmen dieses Aufsatzes weit überschritten und hätte infolge der unvollständigen Kenntnis der Überlieferung auch nur zu Ergebnissen von vorläufigem Charakter geführt. Es wurde daher von einer Angabe der Quellenstellen mit Ausnahme der ausgeschriebenen Partien des ordo Antequam, welche in Kursivdruck wiedergegeben wurden, abgesehen. II. Die Handschrift Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Böhm, suppl. nr. 1015 wurde 1887 aus den Archivbeständen des von der Josefinischen Klosteraufhebung 1783 betroffenen Klosters Arnoldstein (OSB) Kärnten erworben. Die Handschrift gehörte nicht der Klosterbibliothek an, deren Bestände 1785 von dem Hofrichter Becher der Klagenfurter Lyzeumsbibliothek übergeben wurden 6) und die derzeit von der Studienbibliothek Klagenfurt und der Bibliothek des Geschichtsvereins verwahrt werden 7), sondern dem Archiv des Klosters, das zugleich x) Siegel Heinrich, Über den ordo iudiciarius des Eilbert von Bremen mit Berücksichtigung der ecclesiastica rethorica, SB. Wien, Bd. 55 (1867), S. 540 ff. Über die Stellung der Rhetorik an der Wiener Universität vgl. Aschbach Josef, Geschichte der Wiener Universität, Bd. 1 (1865), S. 88. 2) Die Führung des Erzherzogtitels durch Rudolf IV. trotz des Eßlinger Vertrags und die vorübergehende Führung durch Herzog Ernst, die nur als Reminiszenz zu werten ist, dürften zu der obigen Annahme berechtigen. Vgl. Hauke Franz, Die geschichtlichen Grundlagen des Monarchenrechts, Wien-Leipzig 1894, S. 15, Anmerkung 43, 38—40. Werunsky Emil, Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, Wien 1894, § 5, S. 53. Stowasser Otto H., Zwei Studien zur österreichischen Verfassungsgeschichte, ZRG.2, 44 (1924), S. 118, Anmerkung 2, weist in anderem Zusammenhang auf die Notwendigkeit und das Bedürfnis einer Bearbeitung der Titulaturen hin. Material dazu bietet Stolz Otto, Land und Landesfürst in Bayern und Tirol, Zeitschrift für bayrische Landesgeschichte 13 (1941—42), S. 161—252. 3) Tirolische Weistümer, Österreichische Weistümer IV/1 (1888), S. 1, 16, 17. 4) Gebele Eduard, Ostschwäbische Bauern weistümer, Zeitschrift Schwabenland Jg. 2, Heft 8 (Augsburg 1935), S. 105—108. Vgl. Franklin Otto, Beiträge zur Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, Hannover 1863, S. 87. 5) Wohlhaupter Eugen, Die Roggenburgische erneuerte Gerichts- und Dorfordnung von 1573, Zeitschrift für bayrische Landesgeschichte Jg. 10 (1937), S. 395—434, wies auf die Mischung von altem deutschem und neuem rezipiertem Recht in der Satzung von 1573, deren 1. Teil eine Verfahrensordnung über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und deren 2. Teil ein imgelehrtes, bäuerliches Weistum ist, hin. ®) Laschitzer, Geschichte der Klosterbibliotheken und Archive Kärntens zur Zeit ihrer Aufhebung unter Josef II., Carinthia I, Jg. 73 (1883), S. 184. 7) Vgl. Menhardt Hermann, Handschriftenverzeichnis der Kärntner Bibliotheken, Bd. 1, Wien 1927, S. XI, Handschriften Arnoldsteiner Provenienz: Studienbibliothek Pap. 163, 172; Bibliothek des Geschichtsvereins: 2/33, 6/9, 9/7, ll/20a, 40 (bei Menhardt, a, a. O. S. 165—66,170,193, 209, 235, 253—54).