Oskar Regele: Ergänzungsband 1. Der österreichische Hofkriegsrat 1556-1848 (1949)

II. Die Tätigkeit des Hofkriegsrates im Allgemeinen. - d) Mängel des Hofkriegsrates

4« Erzherzog Karl bemängelte 1801 den zu eingeschränkten Wirkungskreis des Hof­kriegsrates. (Seite 29) Studiert man die angeführten Urteile bedeutender Heerführer über den Hofkriegsrat, sieht man bald, daß diese Heerführer eben nicht den Hofkriegsrat als Institution treffen wollten, sondern jene Kräfte, die sich seinem Wirken inner- oder auch außerhalb seiner eigenen Sphäre entgegenstemmten. Die Klage Montecuccolis richtete sich gegen die Hofkammer und jene des Prinzen Eugen, Hildburghausens und Harrachs gegen die Zivilpersonen oder außenstehende Beeinflussungen des Herrschers, die den Hofkriegsrat zur Seite schieben wollten. Selbstverständlich bestanden aber auch ureigene Mängel des Hofkriegsrates, an denen nicht vorbeigesehen werden darf, doch wird deren Darlegung eher für als gegen den Hofkriegsrat sprechen. Schon an anderer Stelle wurde betont, daß der staatliche Aufbau Österreichs ein ausnahmsweise komplizierter war und daß die Verbindung der Alpenländer mit den böhmischen und ungarischen Ländern, das Hinzukommen neuer Gebiete und die staatsrechtliche Ver­knüpfung mit dem Deutschen Reiche, daß weitgehende Autonomien, Länderteilungen, sprachliche und konfessionelle Rücksichten einen Staatsaufbau hervorbrachten, der so ziemlich das schwierigste Problem des Regierens und Verwaltens darstellte. Hier mußte in erster Linie der Hofkriegsrat in Mitleidenschaft gezogen werden, da die Landes­verteidigungsmaßnahmen alle nur denkbaren Gebiete des staatlichen Lebens umfassen und daher einen Amtsverkehr mit den meisten Behörden und Ämtern aller Verwaltungszweige erforderlich machen. Der Kriegsdienst verlangte unbedingte Gleichheit nicht nur in Organi­sation, Ausrüstung und Ausbildung der Streitkräfte, sondern auch hinsichtlich der Leistungen, Lasten und Opfer der verschiedenen Reichsteile. Überall bestanden jedoch größte Unter­schiede — man betrachte bloß Ungarn mit seiner eigentümlichen Wehrordnung, die sich von allen anderen grundsätzlich unterschied, aus Verfassungsgründen aber nie angeglichen werden konnte. Der ungarische Reichstag von 1807 mit seinen stürmischen Verhandlungen wegen der Rekrutenstellung x) ist nur einer der vielen Beweise für diesen bis 1918 nur selten unterbrochenen Übelstand. Wie schon erwähnt bestand der Hofkriegsrat großenteils aus zivilen Personen und dieser Umstand brachte es auch mit sich, daß die militärischen Rücksichten trotz aller mit der Zeit erworbenen Fachkenntnisse häufig zu Schaden kamen: „Sie Referendarien, raisonieren und determinieren von allen vorkommenden Kriegsmaterien, exempli gratia von der Qualität und Capacität eines Ingenieurs oder eines Artilleristen, ob er gut oder schlecht sei, ob er eine Emploi oder ein weiteres Avancement meritiere, wo doch keiner davon jemals die Ingenieurkunst oder das Artilleriewesen erlernt hat. . .“ 1 2). Erzherzog Karl schrieb in seinem dritten Zirkular-Reskript an den Hofkriegsrat vom 7. Jänner 1803: „Unter die bisherigen Mängel der Verwaltung des Kriegswesens gehört ganz vorzüglich jener, welcher. . . zum empfindlichsten Nachteile der Monarchie so oft bemerkt, . . .daß nämlich sowohl in Friedens- als in Kriegszeiten ein größtenteils aus politischen Referenten zusammengesetztes Kollegium auch über bloß militärische Gegenstände in höchster Instanz entschied. . . daß nach der bisherigen Einrichtung über militärische Kunstfächer, als wozu das Artillerie- und Geniewesen unstreitig gehören, Zivilreferenten, denen die erforderlichen szientifischen Kennt­nisse gar nicht zugemutet werden können, in oberster Instanz referieren und entscheiden“ 3). Sehr nachteilig war für den Hofkriegsrat die Überlastung mit Geschäften. Generalate. traten erst Ende des 17. Jahrhunderts nächst der türkischen Grenze, komman­dierende Generale erst nach dem Frieden von Rastatt (1714, für Italien und die Niederlande) ins Leben, so daß es bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts keine Unterbehörden gab und 1) Wertheimer. „Geschichte Österreichs und Ungarns...“, S. 181'ff. 2) „Kriege unter der Regierung der Kaiserin-Königin Maria Theresia“, I., 1„ S. 316. 3) Blasek-Rieger, I„ S. 289. 46

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