K. K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 6. (Wien, 1907)

Oswald Redlich: Das Archivwesen in Österreich

22 Oswald Redlich gerade die Gemeindearchive am häufigsten unter schlechter oft wechselnder Aufbewahrung, unter dem Mangel an Ver­ständnis, unter Vernachlässigung zu leiden haben, daß sie am meisten den Gefahren der Vernichtung oder Ver­schleuderung ausgesetzt sind. Daher besitzen die Landes­archive gerade in der Fürsorge für die Gemeindearchive einen ähnlichen Wirkungskreis, wie die staatlichen Provinzial­archive in der Fürsorge für die Archivalien der staatlichen Unterbehörden. Wir haben gesehen, daß bereits in mehreren Ländern diesem Standpunkte Rechnung getragen wurde, daß z. B. der tirolische Landesausschuß mit voller Einsicht von der Wichtigkeit der Sache die Fürsorge für die Ge­meindearchive in die Hand nahm und darin mit Recht neben der Obsorge für die Organisierung des Landesarchives „die zweite, der ersten an Bedeutung für das Landesarchiv­wesen mindestens gleichkommende Tätigkeit des Landes­ausschusses“ erblickt. Die Mittel, welche da zu Gebote stehen, sind die Inspizierung der Gemeindearchive, die Inventarisierung ihrer Bestände, und endlich in vielen Fällen, wo es sich um kleine, schlecht verwahrte Archive bandelt, das beste und einfachste Mittel, die Deponierung solcher Bestände im Landesarchiv. Eine ganz analoge Stellung wie die Landesarcbive zu den Gemeindearchiven hätten Diözesanarchive zu den Pfarrarchiven einzunehmen. Das Beispiel, welches die Diözese Linz mit der Errichtung eines Diözesanarchives und mit der Organisierung der Ordnung und Aufsicht der Pfarrarchive gab, verdient allüberall Nachahmung. Denn — aus eigener Erfahrung könnte ich manches Exempel er­zählen — auch auf den Pfarrhöfen fehlt es trotz aller Vor­schriften der Ordinariate und trotzdem man gerade da Pietät für alles Historische erwarten möchte, gar nicht selten an Verständnis und Interesse für das eigene Archiv. Oder es fehlt an geeigneten Räumlichkeiten, oder es kommen Übelstände vor, wie in Niederösterreich das Wandern der Dekanatsarchive an den jeweiligen Sitz des Dekans, wobei dann häufig ein Stück des Archives am früheren Orte

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