K. K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 6. (Wien, 1907)
Oswald Redlich: Das Archivwesen in Österreich
20 Oswald Redlich vereinigt werden sollen1) — dies wäre unnotwendig und gar nicht wünschenswert — sondern ich meine die Schaffung eines einheitlichen, alle staatlichen Archive der Zentralbehörden sowohl als der Provinzialbehörden umfassenden Archivorganismus, mit einheitlichem, gemeinsamen Personalstand und mit einheitlicher fachmännischer Oberleitung. Das wäre die volle logische Ausgestaltung des staatlichen Archivweseus, dadurch würde dieses jene selbständige Stellung erlangen, welche ihm bei der geschilderten erwünschten Entwicklung notwendig zukommen muß und tvelche es in anderen Staaten wie in Bayern, Preußen, Frankreich, Italien längst schon besitzt. Dann allerdings wäre die Folge solch voller Ausgestaltung, daß die ganze staatliche Archivorganisation von der Verknüpfung mit einem bestimmten Ministerium gelöst und dem Gesamtministerium, also dem Ministerratspräsidium unterstellt werden müßte 2). Diese Gedanken sind keineswegs besonders neu oder kühn. Sie sind in nuce eigentlich nirgend anderswo schon enthalten — als im Statut des Archivrates. Seine Aufgabe soll es ja sein, „die k. k. Regierung in allen die Archive der k. k. Zentralstellen und ihrer Unterbehörden berührenden Angelegenheiten durch fachmännischen Beirat zu unterstützen“. So wurden denn an den Archivrat zahlreiche, die Archive der verschiedenen Ministerien betreffende Fragen geleitet, an den Sitzungen nehmen regelmäßig Vertreter der anderen Ministerien teil. Im Schoße des Archivrates selber sind jene Konsequenzen schon gelegentlich aus- *) *) Wie solches M. Mayr in einem Aufsatz „Über staatliches Archivwesen in Österreich“ in der Zeitschr. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik n. Verwaltung (1902) 12, 116 ff. fordert. Auch gegen einzelne andere Bemerkungen in diesem Artikel ließen sich Einwendungen erheben. Zum Teile laufen die Schlußfolgerungen Mayr’s aber auf ähnliche Gedanken hinaus, wie sie von uns hier formuliert werden. a) Da der Ministerpräsident in der Regel auch Leiter des Ministeriums des Innern ist, würden damit etwaige bureaukratische Schwierigkeiten von selbst entfallen, welche vielleicht sonst einer derartigen Unterstellung der staatlichen Archivverwaltung unter das Ministerratspräsidium entgegengehalten werden könnten.