K. K. Zentral-Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale 6. (Wien, 1907)
Oswald Redlich: Das Archivwesen in Österreich
18 Oswald Redlich Die drängendste Forderung für unser staatliches Archivwesen ist daher: Organisierung der staatlichen Archive in jenen Ländern, welche noch keine besitzen. Hiebei werden ja allerdings vor allein jene Länder in erster Reihe zu berücksichtigen sein, in denen auch kein Landesarchiv besteht, das zunächst noch für staatliche Archivalien sorgen könnte, oder wo ein solches Landesarchiv nicht mehr im Stande ist, neuen Stoff zu übernehmen. Daher wird vor allein die Organisierung staatlicher Archive in Graz, Laibach, Triest, Ragusa, Czernowitz das allerdringendste sein. Aber es darf nur als eine Frage der Zeit betrachtet werden, daß auch in Linz und Klagenfurt, in Brünn und Troppau, in Krakau und Lemberg die Organisierung staatlicher Archive sich als notwendig erweisen wird. Wir wissen sehr wohl, daß dieses Vollbild der Organisierung nicht auf einmal, sondern nur nach und nach verwirklicht werden kann. Aber es soll und muß das Ziel bleiben. Und es ist gut, wenn man das Ziel kennt, auf daß man ihm Schritt für Schritt näher zu kommen wisse 1). Aber auch innerhalb des jetzt schon bestehenden Komplexes von staatlichen Archiven gibt es Wünsche genug nach einer besseren Ausgestaltung. Je mehr die einzelnen staatlichen Provinzialarchive ihrer Aufgabe nach- kommen, die staatlichen Archivbestände des Landes nach Tunlichkeit in sich zu vereinigen, um so bedeutsamer wird ihre Stellung, umsomehr Anforderungen treten an die Archive als wichtige Hilfsorgane der Staatsverwaltung heran, umsomehr wächst aber auch die wissenschaftliche Benützung. Daher ist im Personalstand der bestehenden Archive eine Vermehrung der Stellen bisher schon notwendig geworden * 2), und wird in Zukunft da und dort not1) Auf dieses Ziel hat Se. Exzell. FZM. von Wetzer schon im Jahre 1896 in einem eingehenden Referate an den Archivrat über Organisierungsfragen hingewiesen. Die Organisierung der staatlichen Archive in Graz, Ragusa, Czernowitz ist vom Archivrate wiederholt urgiert worden. 2) So im Innsbrucker Statthaltereiarchive, welches jetzt sechs Beamte und Praktikanten, einen Kanzlisten und zwei Diener besitzt.