Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1872

19 erbten Vorrechte pochend, die eigenen Brüder bedrückten und sie jener Frei­heiten beraubten, auf welche sie König Geysa in die Wüste gerufen hatte. Da erschienen denn die für den Bestand der jungen Pflanzung Besorgten vor den Stufen des Thrones, klagten dem Könige, daß sie ihrer von Geysa verliehenen Rechte beraubt worden, aus Armuth ihre Rechtsschuldigkeiten der Krone nicht leisten könnten und baten um Herstellung ihrer rechtmäßigen Freiheiten, um Bestättigung ihrer ursprünglichen Verfaßung. Und der König erhörte ihre ge­rechten Klagen und gab ihnen, um den Trotz der Uebermüthigen zu zähmen und die Bedrückungen der Getreuen zu erleichtern, zugleich die Verdienste der­selben erwägend, jenen Freibrief, den unsere Väter, den goldenen, genannt haben, weil die Rechte und der Bestand unseres Volkes auf ihm wie auf einem festen Grunde beruhe. Wir wollen nun die Rechte und Pflichten, die das andreanische Privi­legium enthält, kennen lernen, um dann beurtheilen zu können, wodurch unser Volk an Zahl klein, doch im Innern so groß und stark geworden ist, daß es im Sturme drangvoller Jahrhlmderte, rings von fremden, oft feindlich gesinnten Nationen umgeben, nicht nur vor dem Untergange sich bewahren, sondern auch eine ehrenvolle Stellung unter den Mitnationen einnehmen konnte. Den Nachtheil der Theilung in einzelne Gaue erkennend, vereinigte An­dreas in seinem goldenen Freibrief sämmtliche deutsche Ansiedler von BrooS bis Dräas zu einem Volke. Er hob damit die einzelnen Bezirke und Graf­schaften, in welche die Colonisten getheilt waren, auf und gab dem ganzen Gau den Namen: Hermannstädte'r Provinz. Als Zeichen dieser Vereinigung in eine Körperschaft erhielt die Nation die Befugniß, ein eigenes Nationalsiegel zu führen mit der Umschrift: „Siegel der Hermannstävter Provinz, zur Erhaltung der Krone," An die Spitze des ganzen Volkes setzte der König ein gemein­schaftliches Oberhaupt, den Grafen her sächsischen Nation (Comes), ihren ober­sten Richter im Frieden und ihren Anführer im Kriege. Mit dieser Ver­einigung der einzelnen sächsischen Gaue zu einem abgeschlossenen Gebiete unter der Leitung eines gemeinschaftlichen Oberhauptes wurde zugleich im Freibriefe die Ausschließung alles fremden Grundbesitzes ausgesprochen, denn der König verordnete darin, daß keiner von seinen Großen es je wage, ein auf Sachsenboden liegendes Dorf oder Landgut zu fordern, wenn es aber dennoch geschehe, so sollten die Sachsen kraft dieses Freibriefes das Recht des Widerspruches haben. In Bezug auf die Rechtspflege gewährte das Privilegium der Hermann­städter y Provinz die freie Wahl ihrer Richter, eigene Gerichtsbarkeit, eigene Gesetze, nach denen sie sogar, wenn sie sich einem fremden Gerichte unter­warfen, gerichtet werden mußten und Unabhängigkeit von jeder fremden Ge­walt. Selbst vor da- Gericht des Königs durften sie nur in jenen Streitsachen berufen werden, die vor ihren eigenen Richtern nicht entschieden und geschlichtet werden konnten. 2*

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