Evangelischen obergymnasiums, Bistritz, 1864

50 fröhlichem Schmause. Doch zeigt sich das Haus erst in vollem Leben bei Hoch­zeiten und Taufen. Auf dem Lande sind die Hochzeiten so ziemlich gleichzeitig, denn man müßte das ganze Dorf als Freundschaft einladen, und wo und wie dann beherbergen. So aber theilen sich die Gäste auf. überall wird Raum und nur dem Herrn Pfarrer fällt die schwere Rolle anheim allgegenwärtig zu sein, um nirgends zu „verstoßen." Zwar ist das Hochzeitsgefolge in neuerer Zeit kleiner geworden-, doch hat noch 1863 ein mir bekannter Bauer 20 Metzen Weizen bei der Hochzeit seiner Tochter verbraucht und steht damit sicher nicht allein. Auch die Taufen waren bis in die jüngste Zeit ziemlich theuere Feste, besonders so lange die gebetenen Gevatterinnen ihre Freundinnen mitnehmen durften, freilich dafür einige Bäckereien und Wein mitholen mußten. Die Unsitte der Todtenmahle „Bestuarneß," nimmt zwar allmälig ab. doch wird bei der Todtenwacht und Tydtenklage, der dem Begräbniß voran­gehenden Nacht und dem folgenden Familienmahle viel verbraucht. — Die Namensfeste, nicht Geburtstage, werden ebenfalls im Familienkreise, doch nur im engsten, gefeiert. Ueberhaupt ist das Familienleben noch die starke bewe­gende Kraft unter den Sachsen des Nösner Gaues. Die Frau nimmt dabei eine ziemlich hohe Stellung ein, denn selbst in den ärmsten Kreisen steht sie nicht selten als Herrin des Hauses und nicht nur im Hause da. Wohl verdient es sie auch meistens. Wenn ich so eine Bäuerin mit der tragbaren Wiege — eine auf vier Füßen ruhende Hängematte — auf der einen Schulter auf der andern die Haue und die Suppe für die Arbeiter auf den Acker gehen sehe, venke ich immer, daß sie den Namen der Wirthin verdient, wie sie gewöhnlich charak­teristisch genannt. wird. Auch die Frauen in der Stadt sind mit wenig Aus­nahmen echte Hausmütter, die ihre Kinder selber pflegen und dabei noch dem Manne am Handwerk und in der kleinern oder größeren Feldwirthschaft treulich helfen. Mit wenigen Ausnahmen redet das Kind die Eltern mit Ihr an und ist wenigstens auf dem Dorfe ganz in ihren Willen gegeben, da es keinen eigenen Besitz hat. Die Ehen im Nösner Gau werden daher auch von dem Willen der Eltern stark beeinflußt, und nicht immer zum Glücke der Ber- ehlichten. Bei der Durchsicht der Eheprocesse aus den Jahren 1854 bis 1863 habe ich nämlich gefunden, daß ein großer Theil der Streitigkeiten nur durch das Zusammenwohnen und Zusammenmirthschaften der Kinder und Schwieger- Eltern entsteht. Da ist der Schwiegersohn, die Schwiegertochter nickt fleißig genug, da lasten sie es an der nöthigen Achtung gegenüber den Schwiegereltern fehlen und sitzen doch nicht im Eigenen, oder wollen sie gar, was das ärgste ist, nicht ins Haus ziehen und die Wirthschaft führen helfen. Fortwährender

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