Evangelischen gymnasiums, Bistritz, 1862
9 Ja! die Reformation, und das muß Jeder zugeben, ist ein Ereigniß, welches in der ganzen Weltgeschichte einzig in seiner. Art dasteht und zwar nicht nur in religiöser, geistiger sondern auch in politischer Beziehung. Und kaum ist das deutsche Mutterland von ihr ergriffen, kaum fängt es aus langandauerndem Schlafe an zu erwachen, so wird es auch in der sieben- bürgischen Tochterkolonie rege; kaum hat die Mutter den ersten Schritt in 'der Entwickelung gethan, so will auch die Tochter in den Errungenschaften des Geistes auf dem Gebiete der Kirche und Schule hinter derselben nicht zurückbleiben. Und wunderbar! Auch in Siebenbürgen sind die Verhältnisse fast dieselben wie in dem deutschen Lande: unzüchtiges Leben der Geistlichen, Hei)ergriffe derselben in die weltliche Macht, Vernachlässigung der Bildung u. s. w. Es ist als ob durch die stete Verbindung mit dem Mutterlande auch alle seine verderblichen Mängel herübergepflanzt worden wären. Dieselben Elemente, welche dort die Bewegung Hervorriesen, sind es auch hier. Hier wie dort steht die übermüthige stolze Geistlichkeit dem aufstrebenden Willen und Wunsche des Volkes nach Abschaff, ung der Mißbräuche entgegen; hier wie dort ist es das Volk, welches in dem Bestreben, seinen geistigen Zustand zu bessern, die neue Lehre freudig begrüßt; hier wie dort sind es Männer des Volkes, welche diesem unter - die Arme greifen und es kräftigen und stärken, damit es das Ziel, nach welchem es ringt , erstreben kann. Durch ihre eifrigen Bemühungen wird das große Werk in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu Stande gebracht, wird die neue Lehre in allen sächsischen Städten und Dörfern gelehrt, selbst in dem von dem engeren Verbände weit entlegenen Nösner Gau. Daß nun die Schulen und besonders die „großen" Stadtschulen zu dieser schnellen Verbreitung wesentlich beigetragen haben, liegt auf der Hand. Denn sie sind ja die Pflanzstätten, von woher die Lehrer an Kirchen und Schulen in die nächsten Umgebungen geschickr werden, die neue Lehre in ihrer Reinheit zu verbreiten und zu bewahren. Daß nun durch jene großartige Bewegung, wie in allen andern Verhältnissen, so auch in den Schulen eine große Veränderung vorgegangen, unterliegt keinem Zweifel. Und zur Erkenntniß dieser Veränderung ein Geringes beizutragcn und zu sehen, welchen Einfluß die reformatorischen Bestrebungen aus die Entwickelung und Bildung der Schulen gehabt haben, ist der Zweck dieses Aufsatzes. . Und ich denke diesen Zweck am besten so erreichen zu können, daß ich die Entwickelung und Fortbildung der Schulen Deutschlands betrachte, und dann übergehe aus die Schulen unseres Vaterlandes.