Evangelischen gymnasiums, Bistritz, 1862

12 wohl auch gedrungen. Deutsche Jünglinge ziehen wohl auch über die Al­pen, um sich jenes Ideal der Bildung anzueignen und in ihrer Heimath zu verbreiten. Aber hier werden diese Studien mit ganz anderem, mit viel größerem Erfolge betrieben: ihr Zweck ist ein anderer. Nicht die äußerliche Ehre ist das Ziel der eifrigen Arbeit, sondern es gilt der verkommenen, an leeren Aeußerlichkeiten schwer darniederliegenden kirchlichen Bildung, der verfallenen Scholastik, einen lebendigen starken Damm entgegen zu setzen; es gilt die deutsche Wissenschaft den spitzfindigen, sophistischen Streitigkeiten derselben zu entreißen; es gilt den deutschen Geist an dem hohen Geiste der klassischen Welt heranzubilden zur höchsten Stufe der Wissenschaft und Bildung. Dieser erhabene Zweck erfüllt öke Gemüther der deutschen Huma- nisten so sehr, daß dieselben das Wesen nnd Treiben der Italiener nur verspotten und mit geißelnder Satyre behandeln, wie es auch Erasmus in seinem Ciceronianus gethan hat. Und Männer wie Erasmus und Reuch- lin u. s. w., denen es gelang das schwierige Werk durchzuführen, werden darum immer mit Ehrfurcht betrachtet, ihr Verdienst nie genug gerühmt und gewürdigt werden. Denn wie in kirchlicher Beziehung Männer wie Johann von Goch, Johann von Wesel und Johann Wessel den Grund und Boden zubereiteten, auf welchem die Reformation weitergebaut wer­den konnte, so gaben jene der Volksbildung ihr Recht, stellten die Schule an ben] Platz, welcher ihr gebührte und bereiteten so die große Bewegung vor. Und die Reformation nahm dankbar diese Vorarbeiten an, baute rüstig'auf dem gegebenen Grunde weiter uub drang ungehindert mit ih­ren neuen Ideen vor. Dieses schnelle Vorschreiten können wir nur im Zu­sammenhänge mit diesen humanistischen Bestrebungen erklären. Und wenn man je sagen kann, daß ein Ereigniß eingetreten sei zur rechten Zeit, so kann und muß man dieses von der Reformation thun. Sie trat eben ein „als die Zeit erfüllet war", d. h. als alle Momente gegeben und durch­gebildet waren/welche ihr nothwendig vorausgehen mußten, wenn sie nicht nur ein erfolgloses Anstreben bleiben sollte, die Zustände herbeizuführen, welche die vorhergehende Zeit zu erringe» so vergeblich gestrebt hatte, wenn sie nicht eben so überwältigt werden sollte wie die Bestrebungen eines Wicliffe und Huss. Aber seit dem Auftreten dieser Männer war eben ein Jahrhundert verflossen, waren die Zeiten anders- geworden. Und kaum war der^erste Schritt gethan, kaum hat Luther seine Thesen veröffentlicht, so erheben sich aus allen Ständen Männer, welche für dieselben wie für ihre eigene Meinung einstehen, welche sich unter die Fahne des neuen Geistes schaaren und ihr zuschwören. Und wie die Wirkung der Resorma-

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