Urbs - Magyar Várostörténeti Évkönyv 9. (Budapest, 2014)
Resümee
344 Resümee MIKLÓS MELEGA „Die Stadt bin ich” - Die Normenverstöße von Gyula Éhen, Stadtpolitiker in Szombathely (deutsch: Stein am Anger) im 19. Jahrhundert Gyula Éhen, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert tätiger Bürgermeister von Szombathely, verdankt seine Bekanntheit in erster Linie seiner erfolgreichen Tätigkeit als Stadtoberhaupt. Das von ihm ausgearbeitete und durchgeführte Stadtentwicklungsund Modemisierungsprogramm rief in seiner Epoche landesweite Aufmerksamkeit hervor. Erwähnenswert ist aber auch sein fachliterarisches Werk zur Stadtverwaltung und Urbanistik. Das energische Stadtoberhaupt wurde in Szombathely bereits zu Lebzeiten eine legendäre Persönlichkeit. Nach seinem Tod entwickelte sich ein leibhaftiger Kult um ihn, der bis in unsere Tage weiterlebt. Die Karriere von Gyula Éhen im öffentlichen Leben war aber keineswegs frei von Widersprüchen. Seine eigensinnige Persönlichkeit brachte ihn unzählige Male in Konfliktsituationen und seine aufbrausende Natur machte ihn ab und zu zum Hauptakteur von skandalösen Ereignissen. Während seiner Karriere verschaffte er sich viele Freunde, aber auch reichlich Gegner. Trotz seines Berufs als Rechtsanwalt kam er - als Journalist und Duellheld - nicht nur einmal in Konflikt mit dem Gesetz. Wegen seiner Maßnahmen als Bürgermeister, der den Amtsweg und die Verfahrensregeln oftmals außer Acht ließ, wurden mehrere Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. In der aufregenden und widersprüchlichen Persönlichkeit von Gyula Éhen vermengten sich den Normen entsprechende und sie brechende Verhaltensmuster auf eigentümliche Weise. Die Studie versucht, indem sie die Normenbrüche des Stadtpolitikers bündelt, ein realistischeres und menschlicheres Bild über die Persönlichkeitsmerkmale dieses einflussreichen Akteurs im öffentlichen Leben zu zeichnen. Mittels der Analyse der dargelegten Situationen kann der Leser einen Einblick in das System der vorherrschenden gesellschaftlichen Erwartungen und der rechtlichen und moralischen Normen einer ungarischen Provinzstadt am Ende des 19. Jahrhunderts gewinnen, während zugleich auch die Grenzen der Normendurchsetzung, ihres Einflusses auf das Individuum und ihrer Beeinflussungskraft spürbar gemacht werden.