Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)

Pest-Buda von 1686 bis 1849

reien und Buchhandlungen, und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war Pest bereits unbestrittener Mittelpunkt des ungarischen Verlagswesens. Die vordem über das ganze Land verstreuten Schriftsteller und Gelehrten strebten nun immer mehr der Haupt­stadt zu. In den zwanziger Jahren hatten bereits rund hundertfünfzig ihren ständigen Wohn­sitz nach Pest verlegt, und ihnen gesellte sich mehr als ein halbes Hundert Maler, Graphiker und Bildhauer zu. In Pest wurden das Ungarische Nationalmuseum und die Ungarische Akademie der Wissenschaften gegründet. Hier öffnete als erstes ständiges ungarisches Theater, das Nationaltheater, seine Pforten, das in der Pflege und Verbreitung der Mutter­sprache bahnbrechend und vorbildlich war. In den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts konstruierten sich der Reihe nach mehrere Literaturvereine und wissenschaft­liche Gesellschaften. Von Pest aus fanden die auch dem Geschmack und den Ansprüchen des Bürgertums entsprechenden Zeitungen und Zeitschriften in ungarischer Sprache Verbreitung im ganzen Land. Unter ihrem Einfluß, nicht zuletzt aber auch dank der Ein­führung des Ungarischen als Unterrichtssprache in den Schulen, verbreitete sich alles, was Ungarisch war, immer mehr auch in der Landeshauptstadt. Das Erstarken des Verlags­wesens und das Anwachsen des bürgerlichen Leserpublikums ermöglichte es, daß sich die neue Schriftstellergeneration von den zwanziger Jahren an in der Hauptstadt konzentrierte. Für sie war das literarische Schaffen zu einem Beruf geworden, der ihnen eine Existenz­grundlage sicherte. Gegenüber der Jahrhundertwende bedeutete das insofern einen wesent­lichen Fortschritt, als damals die über das Land verstreuten Literaten vorwiegend noch auf die Einkünfte aus ihren Gütern oder auf die Unterstützung einzelner Mäzene ange­wiesen waren. Das Zentrum des politischen Lebens Neben der führenden Rolle im Geistesleben des Landes oder gerade infolgedessen ent­wickelte sich die Hauptstadt vom Ende der zwanziger Jahre an zum Zentrum des politischen Lebens in Ungarn. Zwar fanden die Landtage auch weiterhin in Preßburg statt, doch be­stimmten die Komitate die politische Stellungnahme der Abgesandten, wodurch die Komi­­tatsversammlungen immer mehr zu wichtigen Foren des politischen Lebens wurden. Zur Festigung der führenden politischen Rolle von Pest trug wesentlich bei, daß hier die Ver­sammlungen des einflußreichsten und im Kampf um die Gesellschaftsreformen führenden Komitats Pest stattfanden. Die Befreiung des politischen Lebens aus dem geschlossenen Kreis der Stände- und Komitatsräte und den organisierten Zusammenschluß der adligen, intellektuellen und bürgerlichen Parteigänger des Reformprogramms hatte Graf István Széchenyi, Initiator der liberalen Reformbewegung, 1827 mit der Gründung des Pester Nationalkasinos in die Wege geleitet. In kurzer Folge bildeten sich nunmehr unterschied­liche, durch zielbewußt erarbeitete Statuten gefestigte oder nur locker zusammengefügte Gesellschaften und politische Zirkel: der Nationalkreis, der Pester Kreis, der Oppositions­kreis, die Gruppe junger Leute, die sich um den revolutionären Dichter Sándor Petőfi scharte und sich „Junges Ungarn“ nannte, die Gesellschaft der Zehn und manche andere. Die politische Organisationstätigkeit kulminierte in den vierziger Jahren in der Gründung der beiden maßgebenden politischen Parteien, der Konservativen Partei und der Opposi­tionspartei. Das Nationalkasino sowie die übrigen Klub- und Parteilokale boten den 36

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