Ságvári Ágnes (szerk.): Budapest. Die Geschichte einer Hauptstadt (Budapest, 1974)

Pest-Buda von 1686 bis 1849

im Wirtschaftsleben Ungarns vorherrschenden Getreideausfuhr schlechthin eine Existenz­frage war. Der 1846 einsetzende Eisenbahnverkehr wirkte sich zwar erst später aus, doch bewiesen bereits die Planung und der nachfolgende Ausbau des gesamten ungarischen Eisenbahnnetzes mit Pest als konzentrischem Mittelpunkt, daß die Zeitgenossen dieser Stadt die größte Bedeutung als Wirtschaftszentrum des Landes beimaßen. Die Früchte der Konjunktur während der Napoleonischen Kriege ernteten vornehmlich noch die ausländischen Kaufleute. Die Bürger von Pest legten das in ihren Händen ange­häufte Kapital teils wegen des für Ungarn nachteiligen österreichischen Zolltarifs, teils wegen der schon bald eintretenden Depression lieber in Immobilien als in der Gründung neuer Industriebetriebe an, zu denen übrigens das verfügbare Kapital meist gar nicht gereicht hätte. Die Folge dieser Grundstückkäufe war eine fieberhafte Bautätigkeit. Zu jener Zeit entstanden die schmucken Mietshäuserzeilen der Leopoldstadt (im Norden des heutigen Y. Stadtbezirks), die beträchtlichen Gewinn abwarfen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich auch die Struktur des Handels. Die Bedeutung der Landesmärkte als bestimmender Handelsfaktor blieb nicht nur weiterhin erhalten, sondern erfuhr als Treffpunkt der ausländischen Kaufleute noch eine zusätzliche Steigerung, die sich allein schon daran ermessen läßt, daß sie von den Zeitgenossen mit der Rolle der Frankfurter und Leipziger Messen im europäischen Wirtschaftsleben ver­glichen wurde. Aber das Schwergewicht verlagerte sich allmählich auf die marktunabhängige Handelstätigkeit, zumal im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts eine Reihe kapitalkräftiger Pester Handelsfirmen gegründet wurde. 1831 war das Geburtsjahr der Pester Handelshalle, Vorläuferin der späteren Waren- und Effektenbörse, die eine geeignete Basis zur Abwicklung von Handelsgeschäften bot. Das 1840 erlassene Kreditgesetz und die 1841 gegründete Pester Kommerzialbank leiteten die Vergabe der zu größeren Unternehmen unerläßlichen Kredite in geregelte Bahnen. Obwohl die österreichische Wirtschaftspolitik eine Industrialisierung Ungarns auch weiterhin behinderte, begann man die im Handel akkumulierten Kapitalien in wachsendem Maße in Industrieunternehmen und in neuen Kreditinstituten zinsgünstig anzulegen. Im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts begann — wenn auch langsam und zö­gernd — die Entwicklung der kapitalistischen Fabrikindustrie in der Hauptstadt als erste und am stärksten. Obwohl die Basis der städtischen Gewerbeproduktion vorerst auch weiterhin das Zunfthandwerk blieb, erschütterte das 1840 erlassene Gesetz, das die freie Anstellung von angelernten Fabrikarbeitern gestattete, die frühere Monopolstellung der Zünfte in ihren Grundfesten. Die Fabrikgründungen, deren überwiegende Mehrzahl auf die Pester Seite entfiel, beschränkten sich nicht allein auf diese beiden Städte. Eines der bemerkenswertesten kapi­talistischen Industrieunternehmen, die in den vierziger Jahren bereits rund sechshundert Arbeiter beschäftigende Schiffswerft, befand sich in Óbuda, ebenso wie auch die Ziegelei, die einen großen Teil des Bedarfes bei der lebhaften Bautätigkeit in Pest und Buda deckte. Um diese Zeit entstand gleichsam als Vorläufer der späteren Budapester Industrievorstädte die Gemeinde Újpest (Neupest), nachdem sie von ihrem Grundherrn freie Hand zur Errich­tung von Fabriken und Industriebetrieben auf ihrem Gelände erhalten hatte (heute der IV. Budapester Stadtbezirk). Die übrigen Ortschaften der Umgebung erblickten ihre Haupt­aufgabe auch weiterhin in der Versorgung der zunehmenden hauptstädtischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. In manchen Gemeinden wuchs zugleich auch die Zahl der Hand­werker. 32

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