Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Peter Csendes: Stadt und Technik. Wissenschaftlicher Fortschritt und urbane Entwicklung
7 Hinweise zu deren Behebung zu geben, und ebenso nahm es für die Ingenieurwissenschaften Zeit in Anspruch, solche Ansätze aufzunehmen und Lösungen zuzuführen. Wollte eine alte Residenz als moderne Metropole - die auch als Symbol für einen modernen Staat stehen sollte - anerkannt werden, dann galt es, Standards zu erreichen, wie sie anderwärts, in Westeuropa, bereits vorhanden waren. Es hieß, sich Themen zuzuwenden, die man bisher misstrauisch, oft genug feindlich betrachtet hatte. Sie aufzugreifen bedeutete, einen mutigen Schritt zu setzen, und es war wichtig, dass ein entscheidender Teil der Gesellschaft ihn mittrug. Dafür hatte die politische Entwicklung in Österreich und Ungarn nach 1860 eine wichtige Voraussetzung geschaffen, indem insbesondere die Kommunen eine gesicherte rechtliche Stellung erhielten. Betrachtet man die geographischen Voraussetzungen, so waren Budapest und Wien durch die Lage an der Donau geprägt, der Donauhandel bildete durch Jahrhunderte einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor. Im Zuge der Industrialisierung verlor die Wasserstraße allerdings an Bedeutung und wurde vor allem auf das Segment der Beschaffung von Lebensmitteln sowie anderer Güter des täglichen Bedarfs reduziert. Aus städtebaulicher Sicht wurde die Donau in Budapest zu dem verbindenden, das Stadtbild entscheidend prägenden Element zwischen den beiden Städten Buda (Ofen) und Pest und damit zu einem Rückgrat der Weiterentwicklung, während in Wien die Regulierung des Stroms wohl neues Bauland und die Voraussetzung für eine Stadterweitemng schuf, allerdings auch ein städtebauliches Problem hervorrief, das erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einer Lösung zugeführt werden konnte. Für beide Städte als Zentralorte höchster Stufe mit hauptstädtischer Funktion spielten die modernen Verkehrsmittel eine wichtige Rolle. Ab den 1830er Jahren wurde Wien in zunehmendem Maß zu einem Eisenbahnknotenpunkt. Das erwies sich als ein wichtiger Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung, verband doch die Südbahn die Reichshaupt- und Residenzstadt mit dem Adriahafen Triest, während die Nordbahn die Verbindung zu den Kohlenrevieren in Nordböhmen herstellte. Die Bahnhöfe innerhalb der Stadt zu verknüpfen, sollte sich dagegen, ähnlich wie in Budapest, als ein erhebliches Problem heraussteilen. Angesichts der liberalen Kommunalpolitik, das Steuemiveau niedrig zu halten, war es schwierig, Großbauvorhaben, wie sie die Donauregulierung und die Erste Hochquellenwasserleitung waren, zu finanzieren. Dennoch gelang es, darüber hinaus Straßen und Brücken auszubauen, das Kanalsystem generell zu verbessern und vor allem die Hauskanäle auf einen hohen Standard zu heben. Die hygienischen Bedingungen erfuhren dadurch laufend Verbesserungen, so als etwa die Bauordnung von 1883 die Einrichtung von „Waterclosets“ vorschrieb. Die städtischen Wasserleitungen brachten schließlich in jedes Haus, wenn auch nicht in jede Wohnung, Hochquellenwasser. Die flächendeckende Energieversorgung mit Gas und später auch Elektrizität blieb freilich noch länger ein Problem.