Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)

Peter Csendes: Stadtentwicklung und Stadtplanung in Wien im 19. Jahrhundert

35 Peter Csendes Stadtentwicklung und Stadtplanung in Wien im 19. Jahrhundert Die städtische Entwicklung Wiens war jahrhundertlang durch die Befestigungsanlagen in ihrer Entfaltung bedeutend beeinträchtigt. Die Altstadt war seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert von einer Mauer umgeben, die ab dem 16. Jahrhundert der zeitgemäßen Festungsbaukunst entsprechend ausgebaut worden war. Die Vorstädte, durch ein breites Glacisgelände von der Stadt getrennt, waren ihrerseits 1704 angesichts der Bedrohung durch die Kuruzzen mit dem so genannten Linienwall umgeben worden. Obwohl die Stellung Wiens als Festung erst 1817 aufgehoben wurde, hatte man sich schon im 18. Jahrhundert Gedanken über eine Auflassung der bedeutungslos gewordenen Anlagen, die zum Teil als Erholungsgebiet genutzt wurden, im Sinne einer Verschönerung gemacht. Beispiele für solche moderne Lösungen gab es damals bereits im In- und Ausland. Dagegen wurde jedoch von den Militärs opponiert, und im Vormärz, als man noch unter dem Eindruck der Französischen Revolution und ihren Folgen stand, wollte die Obrigkeit einen Schutzwall gegenüber der zunehmenden Arbeiterbevölkerung vor den Linien erhalten wissen. So blieben auch viele Erweiterungsprojekte unberücksichtigt, die von namhaften Architekten der Zeit, vor allem von Ludwig Förster, vorgelegt wurden. Geringfügige Verbauungen innerhalb des Glacisbereichs waren das Äußerste, das Genehmigung fand. Doch auch auf dem Gebiet der Vorstädte war Bauland bereits rar und kostbar geworden. Großzügige Gartenanlagen adeliger Palais und bürgerlicher Repräsentativbauten, die nach der Türkenbelagerung von 1683 entstanden waren, wurden aufgegeben, die Grundstücke parzelliert und verbaut. Auch landwirtschaftliche Betriebe - so hatte es im Südosten viele Erwerbsgärtner gegeben - wurden aus dem stadtnahen Bereich verdrängt. Wohn- und Betriebsbereiche waren untereinander verflochten. Unterschiedliche Gewerbe- und Manufakturbetriebe bestanden nebeneinander, wobei lange Zeit die Textilerzeugung (Seidenweberei) eine bedeutende Rolle spielte. Die Bausubstanz vieler, meist ein- bis zweistöckiger Häuser, die häufig Hoftrakte mit Einzimmerwohnungen oder Betriebsanlagen aufwiesen, geht in das 18. Jahrhundert zurück. Erst in der Gründerzeit des späten 19. Jahrhunderts, als diese Industriezweige ihre Bedeutung verloren hatten, kam es zu einer neuen Verdichtung, indem nun auch, soweit es die Grundstückgrößen gestatteten, Mietkasemen an die Stelle der alten Objekte traten oder noch bestehende alte Hausgärten durch die Errichtung von Hintertrakten aufgelöst wurden. Im Revolutionsjahr 1848 erlebten die Verteidigungsanlagen der Stadt eine letzte Feuerprobe. Das revolutionäre Wien wurde nach der Eroberung unter Stand­

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