Budapest und Wien. Technischer Fortschritt und urbaner Aufschwung im 19. Jahrhundert - Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs 9. - Beiträge zur Stadtgeschichte 7. (Budapest - Wien, 2003)
Peter Csendes: Stadt und Technik. Wissenschaftlicher Fortschritt und urbane Entwicklung
12 Ersten Weltkrieg entstanden in Wien Stahlbetonskelettbauten. In den Jahren 1907-1909 errichtete auf diese Weise Ludwig Baumann einen Zubau zum Museum für Kunst und Industrie (Museum für Angewandte Kunst), 1912/13 wandte er diese Technik für ein Versicherungsgebäude (Wien 1, Tegetthoffstraße) an. In der Öffentlichkeit wurde den neuen Bauelementen - wie den Nutzbauten an sich - eher wenig Beachtung geschenkt. Ein Signal für das Interesse an den technischen Neuerungen waren aber die großen Ausstellungen. Der Industrialisierungsprozess in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte auch eine neue Schicht von Unternehmern hervorgerufen, die in den herkömmlichen Zusammenschlüssen bürgerlicher Gewerbe keine Vertretung fanden, ja von diesen sogar angefeindet wurden. Dies führte zur Entstehung neuer Interessenverbände, den Gewerbevereinen. Sie folgten englischen und französischen Vorbildern, waren gegenüber neuen Technologien und Produktionsformen aufgeschlossen und bemühten sich um neue Absatzmärkte. Die Gewerbevereine waren es nun, die Leistungsschauen organisierten. Diese sollten der „Belehrung“, aber auch der Anregung dienen. In Wien war angesichts des von Kaiser Franz I. gehegten Misstrauens gegenüber den sozialen Auswirkungen der Industrialisierung davon vorerst wenig zu sehen. Allerdings wurde auf seine Anordnung hin 1807 das „k.k. Fabriksproduktenkabinett“ eingerichtet, das als eine ständige Leistungsschau gedacht war. Diese Institution wurde nach der Gründung des Polytechnikums 1815 von diesem übernommen und knapp hundert Jahre später dem Technischen Museum übergeben. Im Jahr 1835 fand in der Wiener Hofburg die erste „Allgemeine oder Central-Gewerbs-Produkten-Ausstellung“ statt, an der sich 594 Aussteller beteiligten. Vier Jahre später, als im Wiener Polytechnikum, dem Vorläufer der Technischen Universität, eine Nachfolgeveranstaltung zustande kam, hatte sich diese Zahl bereits auf 732 erhöht. Solche Ausstellungen fanden damals in vielen Ländern und Großstädten statt. 1851 setzte England mit der ersten Weltausstellung im Londoner Hyde Park einen Markstein, denn die Weltausstellungen sollten im 19. Jahrhundert zu einem Motor der technischen Entwicklung werden. Es folgten weitere in London (1862) und Paris (1855, 1867) sowie 1873 in Wien. Österreich war auf diesen internationalen Expositionen stets vertreten gewesen (1867 mit über 3.000 Finnen), 1867 war Ungarn selbstständig in Paris aufgetreten. Nun sollten auch die Erfolge des Modemisierungsprozesses in Wien und Österreich mit einer eigenen internationalen Exposition vorgestellt werden. Die Stadt Wien hatte hohe Erwartungen in die Weltausstellung gesetzt und bedeutende Investitionen in die Infrastruktur getätigt, vor allem in Verkehrsanlagen und Brückenbauten. Auch das Gebiet um das Ausstellungsgelände im Prater wurde reguliert. Mit der Rotunde entstand ein repräsentatives Hauptgebäude als Ausstellungswahrzeichen. Durch private Investitionen wurde auch die erforderliche moderne Infrastruktur im Beherbergungsbereich geschaffen. Es fanden sich 42.000 Aussteller aus 45 Ländern ein,