Manfried Rauchensteiner: Waffentreue – Die 12. Isonzoschlacht 1917

Manfried Rauchensteiner: Einleitung

Streik und Volkserhebung, meinte einen Aufstand des kriegsunwilligen Südens gegen den italienischen Norden orten zu können. Doch letztlich war es mehr der Schock als Kriegsmüdigkeit, der zur Massenflucht geführt hatte. Einer neuen politischen und militärischen Führung gelang es sehr rasch, die Ordnung wieder herzustellen und die Niederlage dahingehend zu instrumentalisieren, dass die Kriegsanstrengungen noch einmal und zwar erheblich gesteigert wurden.9 Die Truppen der Mittelmächte hatten an die 70.000 Mann Gesamtverluste, davon vielleicht ein Viertel Tote.10 Sie waren rund 150 Kilometer vorgestoßen und hatten damit die Front um zwei Drittel verkürzt. Jetzt maß man zwischen Meer und Alpen nur mehr 140 Kilometer. Allerdings war die Front auch für die alliierten Truppen im selben Maß geschrumpft. Der britische Kommandierende General in Italien und die alliierten Hauptquartiere sahen daher die Niederlage zweier italienischer Armeen und deren Verluste recht undramatisch und rechneten zusammen, was es ab Jänner 1918 wieder an italienischen Truppen geben würde. Dabei kamen sie auf 2,5 Millionen Soldaten - und das schien mehr als ausreichend. Letztlich war auch nur ein Landstrich verloren gegangen und diente auf noch unbestimmte Zeit den Österreichern als Versorgungsbasis. Aber was ist schon Land? Es ist die Landschaft, die heute wohl in erster Linie touristische Anklänge weckt. Kaum jemand, der vielleicht bei der Erwähnung von Isonzo, Tagliamento und Piave an mehr denkt als an die Entfernung nach Venedig, das Meer oder die Weiterfahrt. Eher ist wohl das Gebiet des oberen Isonzo geeignet, unmittelbare Verbindungen zum Krieg und zur großen Schlacht des Jahres 1917 zu wecken. Es sind die Ossarien, Totenburgen, Denkmäler und unzähligen Inschriften, die Museen, nicht zuletzt jene in Kobarid und Tolmin, sowie private Sammlungen, in denen nach wie vor Kriegsrelikte zusammengetragen werden und der Krieg der Urgroßväter vergegenwärtigt wird. Doch die meisten Spuren sind getilgt. Und gerade im Friulanischen und Venezianischen überlagert eine Schicht die andere. Man trifft auf Erinnerungen an die Zugehörigkeit des Venezianischen Königreichs zum Kaisertum Österreich bis 1866. Die Spuren sind noch immer zahlreich. Weit weniger tief haben sich die Monate der österreichischen Besetzung von Ende 1917 bis Ende 1918 eingegraben. Der Raum bis an den Piave war 2Vi Jahre lang Etappengebiet der italienischen Armeen gewesen. Dann kamen Deutsche und Österreicher und teilten sich das besetzte Gebiet. Sie taten es zunächst so nachdrücklich, dass es schon schwierig war, von einem Ort der einen Besatzungszone in den Nachbarort der anderen Zone zu kommen. Es gab regelrechte Grenzsperren." Dann wurde das besetzte Gebiet Morselli, Mario A.: Caporetto 1917. Victory or Defeat? London-Portland 2001 (Cass series: Military history and policy 8), 126 f. 10 Die österreichisch-ungarischen Verluste ließen sich merkwürdigerweise nie genau erheben. Auch das Generalstabswerk nennt nur Annäherungszahlen. 11 Arz, Arthur: Zur Geschichte des Großen Krieges 1914-1918. Aufzeichnungen. Wien-Leipzig- München 1924, S. 186 f. 8

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