Österreich und das Heilige Römische Reich

INHALTSVERZEICHNIS - Karl Otmar von Aretin: Österreich und das Heilige Römische Reich deutscher Nation nach 1648

Ferdinands Stellung auf diesem Reichstag war gegen Ende so stark, dass er am 16. März 1654 aus eigener Machtvollkommenheit und ohne die Kurfürsten und Fürsten zu fragen eine neue Reichshofratsordnung erließ. Der Reichshofrat war oberste Instanz, Verfassungsgericht und oberster Lehenshof. In bestimmten Fällen konnten Untertanen, ebenso wie vor dem Reichskammergericht, gegen ihren Landesherren klagen. 1654 starb der ein Jahr zuvor zum Römischen König gewählte Ferdinand IV. Der zweite Sohn des Kaisers, Leopold, war erst 14 Jahre alt und konnte als Minderjähriger nicht zum Römischen König gewählt werden. Als Ferdinand III. 1657 starb war es daher zweifelhaft, ob Leopold zum Kaiser gewählt werden würde. Es herrschte lange Zeit Unstimmigkeit darüber, ob man den gerade 18 Jahre alt gewordenen Habsburger zum Kaiser nominieren sollte. Mehr als ein Jahr war seit dem Tod Ferdinands III. am 2. April 1657 vergangen, als Leopold I. am 1. August 1658 gewählt wurde6. Die Wahl seines Onkels Erzherzog Leopold Wilhelm, Erzbischof von Magdeburg, des bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria, ja sogar Ludwigs XIV. wurde erwogen und wieder verworfen. Der junge, ungewöhnlich hässliche, aber hochbegabte Leopold musste sich erst das Vertrauen im Reich erobern. Leopolds Ansehen im Reich hatte gleich zu Beginn seiner Regierungszeit einen Dämpfer erhalten. Die mächtigeren Fürsten verbanden sich im selben Jahr 1658 im ersten Rheinbund und gaben damit unmissverständlich zu verstehen, dass sie die Reichspolitik bestimmen wollten. Der Protektor des Rheinbundes war Ludwig XIV. Dieser verspielte durch seine aggressive Politik jedoch die Möglichkeiten, die er als Garant des Westfälischen Friedens im Reich besaß. Im Devolutionskrieg, dem Pfälzischen Erbfolgekrieg und den berüchtigten Reunionen, riss der französische König im Elsaß und der Pfalz Stück für Stück des Reichsgebietes an sich. Ludwig XIV. wurde vom Partner zum bedrohlichen Aggressor. Die Besetzung Straßburgs 1681 war ein Höhepunkt dieser Politik, die im Reich Empörung auslöste. Schon 1667 ließ sich der Rheinbund nicht mehr verlängern. Das Ansehen Leopolds I. hatte zugenommen, auch wenn er nicht die Macht besaß, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Seine Armeen wurden während der Kriege zum großen Teil durch Subsidien von den Seemächten Holland und England bezahlt. Das hatte zur Folge, dass in den Friedensschlüssen die Forderungen von Kaiser und Reich von den Geld gebenden Mächten nur selten berücksichtigt wurden. Leopold I. hat die französischen Eroberungen nie anerkannt. Im Regensburger Stillstand 1684 wurde er gezwungen, zwanzig Jahre auf Rückforderungen zu verzichten. 6 Neben der älteren Literatur sind die Verhandlungen, die zur Wahl Leopolds I. führten ausführlich dargestellt bei Redlich, Oswald: Weltmacht des Barock. Österreich in der Zeit Kaiser Leopold I., 1961, S. 43-47. 9

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