Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 27. (Budapest, 2009)
Györgyi NAGY: Gemalte Textilmuster in der Flügelaltarkunst des mittelalterlichen Ungarns
Umrisse des Musters durch vorsichtiges Klopfen eines mit feinem Kohlepulver oder Kreide gefüllten Täschchens berieselt. Nach dem Entfernen der Pause zeichnete sich das Muster durch das herausgeklopfte Pulver in Form von sich nebeneinanderreihenden Punkten, sogenannten Pauspunkten, ab. Diese aufzudecken ist sehr schwer bzw. häufig unmöglich, denn die meistens lockeren Kohlestückchen wurden, nachdem die Punkte mit der Feder oder dem Pinsel verbunden waren, weggewischt. 1 Bei der Untersuchung des infraroten Streuungsbereiches der Unterzeichnung auf mittelalterlichen deutschen und österreichischen Tafelbildern konnten auf einigen Schöpfungen diese Pauspunkte sichtbar gemacht werden. 1 8 Im mittelalterlichen Material Ungarns sind diese Punkte unter anderen gut auf dem in die Zeit um 1460 datierten Tafelbild Der zwölfjährige Jesus im Tempel des Meisters von Aranyosmarót (heute: Zlaté Moravce, Slowakei) zu sehen. 1 9 Auf der Infrarot-Aufnahme des Musters vom Gewand der mit dem Rücken zum Zuschauer sitzenden Gestalt kann man die Punkte an der Außen- bzw. Innenseite der stärkeren Linie gut wahrnehmen (Abb. 1-2). Die Wirkung der niederländischen Malerei auf die mittelalterliche Kunst Ungarns kann man seit den 1440er Jahren in der Übernahme von Kompositionen und ikonographischen Mustern aufzeigen. 2 0 Die Bestrebungen nach wirklichkeitsgetreuer Darstellung der Gegenstände des täglichen Lebens sind gut zu erkennen, was man auch bei den gemalten, wertvollen Textilien an den Flügelaltären sehen kann. Neben der Ausstrahlung der neuesten Inspirationen durch die (heute fast spurlos verschwundenen) künstlerischen Zentren des Landes, in erster Linie des königlichen Hofes, mussten auch die geographische Lage, die wirtschaftlichen und Handelsverbindungen der weiter entfernten Städte eine bedeutende Rolle gespielt haben, 2 1 so zum Beispiel die mit deutschen und österreichischen Gebieten unterhaltenen Kontakte Aranyosmaróts im einstigen Komitat Bars im nordwestlichen Teil des mittelalterlichen Ungarns, während im östlichen Teil des Landes Kaschau (Kassa, heute: Kosice, Slowakei) Verbindungen zu Schlesien und Klein-Polen unterhielt. Der bestimmende Teil des neuen Stils konnte, ähnlich den anderen Regionen Europas, durch den Export der niederländischen Gemälde auch nach Ungarn gelangt sein. Aus den Quellen ist bekannt, dass 1489 in Buda flämische Bilder gehandelt wurden. 2 2 Den flämischen Malstil und Kompositionen konnten neben figürliche Szenen auf Tapisserien (wie auf der in zeitgenössischen Quellen erwähnten TrojaSerie im königlichen Palast in Buda [Ofen]) auch Miniaturen vermittelt haben, wie zum Beispiel die abwechslungsreiche Landschaftsdarstellung und bewegten Kompositionen der Corvina-Graduale. 2 3 Die Lehrlinge konnten selbst bis in die Niederlande gewandert sein, aber weitaus eher verbrachten sie ihre Lehrzeit in nähergelegenen Werkstätten, die unter niederländischer Wirkung arbeiteten. Auch der Meister des Hauptaltars von Mediasch (Medgyes, heute: Mediaf, Rumänien.), der den neuen Stil und die Kompositionen nach Siebenbürgen vermittelte, konnte in der Werkstatt von Hans Siebenbürger, dem als leitender Meister des Wiener Schottenaltars identifizierten, ausgezeichneten Maler, tätig gewesen sein. 2 4 Mehrere künstlerische Leistungen deuten auf die unmittelbare Kenntnis von niederländischen Gemälden. Anhand des Stiles des Malers, der 1471 den einstigen Hauptaltar der Dreifaltigkeitskirche in Mosóé (heute: Mosovce, Slowakei) malte, so56