Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 27. (Budapest, 2009)

Györgyi NAGY: Gemalte Textilmuster in der Flügelaltarkunst des mittelalterlichen Ungarns

Die Darstellung des Materials und der Strukturen der verschiedenen Stoffarten bedeutete auch ein maltechnisches Pro­blem, zum Beispiel die auf diffusem Reflex­licht basierende Oberflächenwirkung des reich drapierten Samtes. Sein besonderer Charakter kann durch das Auftragen von verhältnismäßig wenig Bindematerial bein­haltenden Farben erzielt werden. Auch Cennini führt in seinem Traktat die ent­sprechenden Richtlinien an: „Wenn du ei­nen Sammtstojf nachahmen willst, so mache das Gewand in Eitempera, in welcher Farbe du willst. Dann führe mit dem Pinsel von Eichhörnchenhaar das Flaumige aus, welches der Samt hat, mit Oelfarbe. Und behandle dasselbe etwas derber. Und du kannst auf diese Weise den Sammt schwarz, roth und jeglicher Färbung machen, in dem du auf die gemeldete Art Tempera nimmst." 1 0 Die Maler haben das Spiel des hier und dort aufblit­zenden Lichtes auf der mit Goldfäden durchwobenen Oberfläche dem Muster entsprechend durch die Platzierung von hellen Spitzenlichtern auf der in verschie­denen ockergelben Tönen gemalten Ober­fläche wiedergegeben. Die komplizierten Textilmuster wurden nicht von freier Hand auf die zu bemalende Oberfläche gezeichnet. Man verwendete technische Hilfsmittel, mit denen die Mu­ster endlos und regelmäßig aufgetragen werden konnten. Zu diesen gehört die Lochpause, die zusammen mit verschiede­nen Skizzen, Vorbereitungszeichnungen und Musterbüchern die Einrichtung einer Malerwerkstatt bildeten. 1 1 Ihr Vorteil ist, dass sie mehrmals auf beiden Seiten benutzt werden kann und dass die einzelnen Mu­sterdetails auch gesondert aufgetragen wer­den können. In den Quellen der mittelal­terlichen Maltechniken ist ihre Anfertigung und Anwendung nur von Cennini erwähnt. 1 2 Durch das Benutzen wurden die Lochpau­sen beschädigt, verlegt oder gingen verlo­ren, darum sind die noch erhaltengebliebe­nen Exemplare von besonderer Bedeutung. Bernhard Degenhart hat in seinem Corpus über die italienischen Zeichnungen aus der Zeit um 1300 und 1450 mehrere solcher „durchstochenen Zeichnungen" veröffent­licht. 1 3 In den Gebieten nördlich der Alpen sind derartige Vervielfältigungsmittel für die von Lucas Cranach d. Ä. angefertigte Porträtserie von Martin Luther und seiner Gemahlin, Katharina von Bora, seit langem bekannt, aber bei der Papieruntersuchung hat sich herausgestellt, dass sie erst später, im 17. Jahrhundert, angefertigt worden sind. 1 4 Von diesem Gesichtspunkt aus ist ein von den Skizzen des in Straßburg täti­gen Meisters der Gewandstudien in der Al­bertina aufbewahrtes Blatt ebenfalls von Bedeutung, obwohl es sich hierbei nicht um eine Lochpause handelt. Auf der Rück­seite eines Altarrisses für einen spätgoti­schen geschnitzten Altar befindet sich die Zeichnung eines Damastmusters. Dieses Muster kommt als Brokatornament der Decke auf dem Tafelbild mit Darstellung des Marientodes des Meisters in Krakau vor. Die Details sind in der Zeichnung ge­nauer und minuziöser als auf dem Gemälde dargestellt. Dadurch muss die Skizze mit größter Wahrscheinlichkeit auf eine in der Werkstatt vorgegebene Lösung zurückge­hen, auf eine Mustervorlage, die für beide als Grundlage diente." Das Textilmuster wurde nicht gleichzei­tig mit der Skizzierung der Komposition auf die zu bemalende Oberfläche aufgetra­gen, sondern erst am Ende der künstleri­schen Ausführung, als die Kleidung oder die Details der Drapierung in Farbe ausge­arbeitet wurden. 1 6 Die Lochpause wurde auf die zu verzierende Fläche gelegt und die 54

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