Szilágyi András (szerk.): Ars Decorativa 24. (Budapest, 2006)

Melinda AL-RAVI-KŐVÁRI: Ein koptisches Textilfragment mit der Verkündigungsszene im Kunstgewerbemuseum Budapest und seine Stelle im Kreis der christologischen Zyklen

rischen Quellen dienen in erster Linie dem Verstehen der literarischen Traditionen, während die Sinndeutung der frühchristlichen-mediterra­nen Denkmäler in den Bereich der narrativen Bildsprache gehört. Wenn die Abfolge der Szenen in der bildlichen Wiedergabe einen Zyklus bildet, müssen zunächst einmal die Darstellungen vor dem Hintergrund des Kontextes und der Herkunft des betreffenden Objektes untersucht werden. Die literarischen Quellen spielen zwar eine wesentliche Rolle für das Verstehen des Darstellungstypus, sie stehen der Bildsprache jedoch nicht als einzige Quellen zur Verfügung. Bedauerlicherweise gibt es keine primären Zeugnisse, welche die Beziehungen zwischen dem Wort und seiner bildlichen Wiedergabe im koptischen Kulturkreis behan­deln. Die literarischen Quellen stammen nicht aus dem ägyptischen Bereich, sie sind vielmehr aus dem Griechischen übersetzt. Aus diesem Grund müssen die Kunstdenkmäler mit größerer Vorsicht behandelt werden. Das zweite Konzil von Nizäa (787) definiert die Beziehungen zwischen Bild und Wort in folgender Weise: „The representation of scenes in colours follows the narrative of the Gospel and the narrative of the Gospel follows the nar­rative of the paintings...When we see on an icon the angel bringing the good news to the Virgin we must certainly bring to mind that the angel Gabriel was sent form God to the Virgin. And he came to her and said: Hail, O favoured One, the Lord is with You. Blessed are you among women. Thus from the Gospel we have heard of the mystery communicated to the Virgin through the angel, and this way we are remind­ed of it. Now when we see the same thing on an icon we perceive the event with greater empha­sis. " I2 Die schriftlichen Quellen machen die litera­rischen Traditionen verständlich, während die Objekte helfen, die narrative Bildsprache zu verstehen. Da die Szenenfolge einen Zyklus bildet, müssen wir das Ziel- und den Ver­wendungsort der Verkündigungsszene berück­sichtigen. Das ist sehr wichtig, weil die Zyklen auf verschiedenen Objekten und aus ver­schiedenen Gründen abgebildet worden sind. Zum Verständnis der frühchristlichen Bild­sprache müssen wir jedoch auch auf die Anwendungsbereiche der Verkündigungsszene eingehen." Die figürlichen Darstellungen, darunter auch biblische Szenen und Personen, haben unter den vielfältigen Zierwirkereien (Clavi bzw. Borten, Tabulae, Orbiculi, etc.) der koptischen Tuniken und Gebrauchstextilien einen großen Anteil. 2. Die Gruppe mit zwei oder mehr Figuren auf Clavi/Zierstreifen 2.1. Das Textilfragment im Kunstgewerbemuseum in Budapest Auf der Borte ist die fragmentarische Darstellung der Verkündigung Mariae in einen roten Hintergrund eingefügt. Auf der linken Seite steht Gabriel in einem langen Gewand, mit einem großen Nimbus und großen Flügeln im Adora­tionsgestus. 14 (Abb. 1.) Auf der rechten Seite sitzt Maria zwischen Pflanzen auf einem Polsterthron mit Subsellium. Sie hält ein Objekt (vielleicht einen Korb) in ihrer Hand und ist mit einem lan­gen Gewand sowie einem Mantel bekleidet. Ihre Haare sind lang, hinter ihrem Kopf erscheint ein großer Nimbus, der ihr bis zur Schulter reicht. Das schlecht erhaltene Bortenornament enthält Herzblattmotive und Ranken auf der linken Seite des figürlichen Feldes. Auf der linken und rech­ten Seite von Maria steht jeweils eine Pflanze mit langem, dünnem Stängel, der oben ein zweifar­biges Blatt besitzt. Diese Darstellung der Verkün­digung ist, laut unserer Kenntnisse, sehr selten in der Ikonographie der frühchristlichen Kunst. Derartige Pflanzen sind auch auf dem Textil­fragment in Freiburg zu sehen. (Abb. 2.J Die Pflanzen und Bäume spielen eine große Rolle in der Ikonographie der koptischen Wirkereien. Darstellungen von Bäumen und Gärten auf Wänden der Gräber und Tempel waren auch in der pharaonischen Zeit sehr beliebt, nicht nur in Ägypten, sondern auch in Syrien (Palmyra, Grab in Djel el-Amad). 15 Es spricht viel dafür, daß die Verkün­digungsszene Teil eines Zierstreifens einer Tunika gewesen ist.

Next

/
Oldalképek
Tartalom