Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 8. (Budapest, 1984)
PEKÁR, Zsuzsa: Creussener Gefässe im Museum für Kunstgewerbe
Creussener Töpfer nach denselben Auflagen gearbeitet haben, beweist die Apostelfigur des Hans Wagners. Diese Figur erscheint auf den Gefässen unter den Namen S. Matthäus (Abb. 19), trotz dem Attribut in der Linken: ein Winkelmass, das seiner Rolle überhaupt nicht entspricht, da er der Patron der Geldwechsler, Steuereintreiber und Finanzwache war. Seine wahren Attribute sind Buch, Schwert oder Hellebarde, auch Lanze. Das Winkelmass gebührt laut heutiger Auffassung dem S. Matthias, Patron der Zimmermänner. Ob im 17. Jahrhundert andere Vorstellungen bekannt waren, oder ob man ganz einfach Matthäus mit Matthias verwechselt hat, wissen wir nicht; jedenfalls erscheint auf den Gefässen in Budapest, aber auch an vielen anderen Creussener Krügen Matthäus mit dem Winkelmass. Die Apostelfigur mit falschem Attribut wurde aber nicht von Hans Wagner erfunden. Dass es dafür eine Vorbild gab, wird von einem sächsischen Apostelkrug in Zinnrelief aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert, mit der Meistermarke des Gottfried August Krause bewiesen. 6 ' 5 Auf der Wandung des Kruges sind Reliefplaketten aufgesetzt, mit denselben Punktrosetten, Apostelfiguren wie auf den Creussener Gefässen: in ihrer Reihe steht unverwandelt Matthäus mit dem Winkelmass. 67 Das beweist, dass gewisse Zinngiesser Ende des 18. Jahrhunderts noch immer nach denselben Vorbildern oder Plakettmodellen gearbeitet haben wie die Creussener Meister im 17. Jahrhundert. Laut F. C. Lipp verwendeten die Maler der Kurfürstengläser in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts graphische Vorlagen, die von Augsburger Künstler stammten. Es wäre daher erforderlich und aufschlussreich in dem noch vorhandenen Bildmaterial der Kulturzentren des 16—17. Jahr12. ZWEI APOSTELFIGUREN hunderts, wie z. B. Nürnberg und Augsburg, auch den Apostelmodeln der Creussener Kunst nachzuforschen. Die Kunstobjekte werden nicht nur von dem Material, der Form und dem Dekor bedingt. Sie erwecken die Erinnerung an ihre Meister, ihre Besteller, ihre Besitzer; erfüllen dadurch nicht nur eine kunsthistorische, sondern auch eine kulturhistorische Rolle. Diesem verborgenen Sinn nachzugehen gibt der Forschungsarbeit Ziel und Wert. 51