Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 2. (Budapest, 1974)

Le Musée des Arts Décoratifs en 1972

überwinden können. Wer möchte in Abrede stellen, dass wir schon ein Stück des Wegs auf unser Ziel zu zurückgelegt haben? Ein höheres ästhetisches Niveau ist heute keine hervorgehobene Sonderkategorie, die man früher vielleicht aristokratisch nannte, es ist auch nicht das Privileg besonderer Gat­tungen und auch nicht mehr den einmali­gen, individuellen Schöpfungen vorbehal­ten. Man kann heute von Stufen des ästhe­tischen, künstlerischen Niveaus sprechen, doch kann man — davon bin ich überzeugt — den Anspruch auf Ästhetik, auf Kunst nicht einschränken und seine Ausdehnung auf weite Kreise nicht in Frage stellen. Kunstgewerbe! Anders ausgedrückt: ästhe­tisch-künstlerische Formung der Gegen­stände. Wir wollen uns nicht auf die Fragen der Grenzen einlassen, nicht von den pro­blematischen Überschneidungen und unsi­cheren Grenzfällen reden, zumal unser Be­griffssystem starr oder vielleicht eben allzu locker die Wirklichkeit überdacht, und der Bewegung des Lebens, der Wirklichkeit nur mit Mühe folgen kann. Doch wenn wir uns auch nicht in die Problematik der Be­griffe verlieren, erschliesst sich uns — wenn wir vom einheitlich verstandenen Begriff des Kunstgewerbes, der künstlerischen For­mung der Objekte hören — fast eine ganze Welt: das farbige Spektrum der den menschlichen Lebensfunktionen dienenden gegenständlichen Welt, eine Welt, die heute nicht mehr den Privilegierten vorbehalten ist. Der Grund, weswegen ich mich ver­hältnismässig viel mit der Problematik der Umwelt befasst habe, ist der logische Fa­den, der diese Problematik zwangsläufig mit der exzeptionellen Bedeutung des Kunstgewerbemuseums in Verbindung bringt. Es handelt sich nicht um irgendeine künstlerische oder allgemeine kulturelle Wert- und Rangordnung, aber eines möchte ich doch hervorheben: das ausserordentlich breite Spektrum der gegenständlichen Welt, das dem Leben auch Ästhetisches zu bieten hat, das, wovon ich vorhin sprach, wird uns in den Mauern dieses Museums und der angeschlossenen Institutionen bewusst und gewährt uns einen Rückblick auf eine tausendjährige Vergangenheit. Wir wissen, dass die farbige, wunderbar vielfältige und reiche Welt uns nicht zum Kopieren der historischen Schöpfungen erzieht, wohl aber Ansprüche erweckt und formt, An­sprüche, zu deren Entwicklung das Wort, der verbale Unterricht und die Erziehung oder der gedruckte Text allein nicht ge­nügen können. Ein schöpferisches Verhal­ten muss anerzogen, die Gesetze des Mate­rials müssen bewusst gemacht werden; be­wusst, kraft des unmittelbaren Erlebens, auf welche Weise die Bestimmung, die Funktion, herausgeschält aus dem geeignet­sten Material, Form gewinnt. Und all das geschieht im Einklang mit den historisch wechselnden Ansprüchen und Techniken im grossartigen Koordinatensystem von Zeit und Ort und schöpferischem Künstler oder von Zeit, Raum und Mensch. Ohne solche Stütze wären wir nicht in der Lage, die die Gegenstände formenden Künstler, die Kunstgewerbler der Gegenwart und der Zukunft zu erziehen; und ebensowenig wä­ren wir imstande, in den breiteren Schich­ten der Gesellschaft den Samen einer höhe­ren Kultur von Schritt zu Schritt auszu­säen. Meine Damen und Herren! Wir feiern das hundertjährige Jubiläum das Museums für Kunstgewerbe. Wir denken zurück an die Tätigkeit des Museums, an die Ereig­nisse, die sich in seinem hundertjährigen Leben abspielten. Opfervolle, oft heroische Kämpfe waren der Einsatz, der es uns er­möglichte, heute eine der reichsten und 198

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