Imre Jakabffy (szerk.): Ars Decorativa 1. (Budapest, 1973)
RUZSA, György: Zur Kunst der ungarischen Wandteppiche im 20. Jahrhundert
,Flucht' ist mit den ein bis zwei Jahrzehnte früher entstandenen exotischen Wäldern Henri Rousseau le Douaniers verwandt. Doch Rousseaus naives Naturgefühl bleibt der Ästhetik des 19. Jahrhunderts völlig verhaftet. Sein Kunstschaffen tendiert zur primitiven Pikanterie der Silhouetten und Farben. Noémi Ferenczys naives Naturempfinden hingegen geht auf religiöse (pantheistische) Wurzeln zurück. Zwischen den beiden Künstlern besteht kein unmittelbarer historischer Zusammenhang".-"' Später erfolgen im künstlerischen Schaffen Noémi Ferenczys wesentliche Veränderungen. Am Ende der 20er Jahre gelangt die menschliche Gestalt in das Zentrum ihres Interesses und ihrer künstlerischen Untersuchungen. In dieser Zeit stellt sie die Figuren in ihren Werken im allgemeinen in Ruhestellung oder bei stiller Arbeit dar. Die Stilveränderung in ihrem Schaffen steht hiermit in engem Zusammenhang. Häufig benutzt sie zum künstlerischen Ausdruck grosse und farbige Flächen. Auch arbeitet sie mit relativ sparsamen Mitteln und strebt nach einer Monumentalität. Hierfür legen auch die beiden in unserem Museum befindlichen schönen Wandteppiche Zeugnis ab. Das eine Werk nannte sie „Zusammenschluss" und das andere „Zentennarium". 2 ' Im „Zusammenschluss" findet sich ein eigentümliches Symbolsystem, von dem ein Teil ganz einfach an der Bordüre angeordnet ist. Es wäre interessant, die Entwicklung, den Bedeutungsinhalt und die kompositorische Rolle des Symbolsystems in sämtlichen Werken Noémi Ferenczys zu untersuchen. Diese Frage wurde übrigens bereits im Jahre 1937 von Zoltán Farkas andeutungsweise aufgeworfen: „Die Künstlerin (Noémi Ferenczy) ist heute wesentlich wortkarger und einfacher. Sie begnügt sich mit einem einfachen Aneinanderreihen der Elemente und mit einer stereotypen Wiederholung der Symbole. Die Wirkung der Wiederholung ist weder gering noch unbedeutend. Einerseits führt sie den Wandteppich auf sein dekoratives Ziel, auf die Eigentümlichkeiten des Materials zurück, d. h„ sie bietet eine Arbeit an, deren Muster sich ständig wiederholen, die also eine ornamentale Wirkung haben, doch ist auch eine tiefere Bedeutung festzustellen. Statt der Verflechtung der Naturwirklichkeit, die der naturalistische Künstler gern nachahmt, wirkt ihr Werk durch die Kraft der Umsetzung der Idee, durch das gleiche Motiv, das sie nebeneinander anordnet, und durch das sich starr wiederholende Bild erhöht sie die Kraft des Symbols". 27 Neuerdings befasste sich Nóra Aradi ebenfalls vom kunsthistorischen und kunsttheoretischen Standpunkt ausführlich mit dieser Frage. 28 Das unerschöpflich reiche Kunstschaffen Noémi Ferenczys übt, wenn auch nicht unmittelbar, auch auf die zeitgenössische ungarische Wandteppichkunst einen nicht zu unterschätzenden Einfluss aus. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges löste sich die Gödöllöer Künstlerkolonie im vesentlichen auf. Aladár Körösföi-Kriesch starb im Jahre 1920. Und mit diesem Datum ist die Periode der ungarischen Sezession endgültig abgeschlossen. Trotzdem kann am Enre der 30er Jahre, als Sándor Nagy sein bedeutendstes Werk schafft — die Fresken der Pesterzsébeter Pfarrkirche (1937—1941) — eine späte und eigentümliche Belebung dieses Kunststils beobachtet werden. 211 Das Interessante und die Schönheit dieses Werks liegen gerade darin verborgen, dass ein Maler, dessen Entwicklung ohne die Sezession nicht verstanden werden kann, der in der Sezession gross geworden ist, seine ganze Begabung von neuem auf die Schöpfung dieser Arbeit konzentriert, wobei zu beachten ist, dass er zu dieser Zeit bereits auch von anderen zeitgenössischen Kunstströmungen — vor allem von den sogenannten Post-Nagybányaern, zu ihnen gehörte übrigens auch István Szönyi — beeinflusst wurde. Die sezessionistische Linienführung Sándor Nagys paart sich mit einer eigentümlich fri-