Gábor Eszter: Die Andrássy Straße - Unser Budapest (Budapest, 2002)

Erscheinung bemüht. Der Architekt hatte mit den beiden Mietshäusern am Museumsring bewiesen, daß er auch nebeneinander zwei Gebäude abweichen­den Charakters entwerfen konnte. Mit dem Erscheinen der Lichtreklamen hörte die Verwechselbarkeit der Häuser am Oktogon auf. Die ungarischen Filme der dreißiger Jahre beweisen, daß hier die ersten großformatigen Lichtreklamen Budapests auftauchten, die sich wohl im Laufe der Zeit veränderten, jedoch auch heute noch die obersten Regionen der Fassaden bedecken. In den unteren Regionen pulsierte das Leben. Auf der rechten Seite befand sich das berühmte Café Abbázia (Andrássy út 49): „...e<5 wurde einet der größten und glänzendsten Ka^eehäuser der Hauptstadt. mit riesigen Terrassen, südlichen Pflanzen. Alpaka-Leuchtern, mit riesigen, aus Brüssel gebrachten Wandspiegeln (angeblich die beiden größten Spiegel der Monar­chie) und mit Tischplatten aus Onixmarmor" (Imre Gundel—Judith Harmath: Erinnerungen der Gastronomie). Hier empfing der Politiker und Dichter der Unabhängigkeit, Károly Eötvös, seine Anhänger. (Károly Eötvös war der Ver­teidiger der unschuldig Angeklagten im bekannten Tiszaeszlárer Prozeß, in welchem er den Freispruch erwirkte; zwanzig Jahre später berichtete er darüber in seinem dreibändigen Werk; Dergroße Prozeß - der tausend Jahre statt^in­­det und noch nicht beendet ist.) Zur Jahrhundertwende stand der Stammtisch des Rechtsanwalts Vilmos Vázsonyi, des demokratischen Politikers und kurze Zeit auch Justizministers, am Fenster zum Großen Ring, wo ebenfalls viele verkehrten. Auf der anderen Seite des Platzes funktionierte zuerst das Nicoletti, später das berühmte Kaffeehaus Kovács, ebenfalls ein beliebter Aufenthaltsort der Künst­ler (Andrássy út 48). Angeblich focht hier der Bildhauer György Zala seine gro­ßen Tarock-Schlachten, und verlor — ebenfalls angeblich — sein Atelier in der István út beim Kartenspiel. An die Stelle des Nicoletti kam von den 1930er Jahren an das modern eingerichtete Café und Restaurant Savoy. Die beiden Instituti­onen hohen Niveaus jedoch von verschiedenem Charakter, ergänzten sich aufs Beste. Beide erlebten mit der Zeit ihr Ende. Aus dem Savoy wurde zuerst eine Schnellimbißstube, dann ein Burger King Fastfoodrestaurant; das Abbázia wurde in den sechziger Jahren zu einem Restaurant modernisiert (damals gelangte das Mosaikbild von Tihamér Gyarmati an die Wand hinter das Servierpult), nach einer neuen Umänderung (bei der das Bild zerstört wurde) wurde es zum Stamm­platz der arabischen Valutenhändler; heute befindet sich hier eine Bankfiliale. 3'

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