Buza Péter - Gadányi György: Kopf Hoch! - Unser Budapest (Budapest, 1998)

Der Legende nach war Gyula Takáts einige Jahre vor der Jahrhundertwende mit nur einem einzigen, schäbigen Ranzen aus Siebenbürgen nach Pest gekommen, wo die aufsehenerregende Erneuerung der schönen jungen Stadt noch voll im Gange war. Später baute der aus eigener Kraft reich gewordene Kaufmann hier vom Gewinn des Delika­tessenladens mit dem Namen „Zum Schwarzen Elefanten“ an der Ecke Váci utca und Duna utca einen solchen Miets­palast, auf dessen Kuppel die Goldstücke aus Körmöc die Sonnenstrahlen zum Glänzen brachten und damit der ganzen Welt den Stolz und das Selbstbewußtsein des Bür­gers verkündeten, der sich mit Königen zu messen wagte und dessen Heim dieses auch veranschaulichte. In Europa gab es mehrere Beispiele dieser Art, doch sie waren hier hinsichtlich ihrer Vehemenz sowie der kurzen Zeitspanne ihrer Ausführung beispiellos. Budapest wurde ohne Zweifel im letzten Viertel des ver­gangenen Jahrhunderts zur Weltstadt; seine Bewohner, die Bürger - ja sogar Großbürger - waren ein Produkt der glücklicheren familiären Karrieren, Bürger, die in ihren Am­bitionen und deren Vorzeigen ganz und gar nicht beschei­den waren, sich die Praxis der in Rang - und Zeit - vor ih­nen Stehenden zum Vorbild nahmen. So gelangten Türme und Kuppeln auf ihr Haus, manchmal solche, die nur im Vorhaben vornehm und im übrigen aus Talmi waren, so als würde man einen Straß mit einem Diamanten vergleichen. Doch wenn der Geschmack sich auch manchmal verirrte, die Aufrichtigkeit des Lebensgefühls fehlte nicht. In unserer Auswahl stellen wir neben den sich zum Ver­gleich anbietenden Kuppeln der Stadtpalais von Aristokra­ten nur den Dachschmuck von solchen Bürgerhäusern vor, von denen jedes einzelne ein Privathaus war und eine per­sönliche Beziehung zu jemandem hatte. Deshalb fehlen in dieser Reihe die ähnlichen „Schöpfungen“ der öffentlichen Gebäude, für die übrigens in dieser Periode der Stadtent­wicklung genau die gleichen Lösungen typisch waren. Der zweite große Krieg wischte die Konturen des Dach- aufbaus des Delikatessenhändlers Gyula Takáts vom Him­mel. Aber an anderen Orten der Stadt ist er noch da, hoch oben, der Zierat der Bürgerhäuser, der nie irgendeine ar­chitektonische, dafür aber eine Prestige-Funktion hatte. Denn aus welchem anderen Grunde hätte sonst jemand diese verzierten, neogotischen Türme erbaut, aus sorg­fältig gemeßelten Steinen, aus raffiniert verzapften Balken, Dachteilen und Blechkörpern solch unnützes Zeug zusam­mengesetzt? Doch nur um zu sagen: Schau hoch! Sieh: das bin ich! 5

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