Bodor Ferenc: Die Pressos der Stadt - Unser Budapest (Budapest, 1992)
Olga (Éva) Ein Espresso namens Olga gibt es in ganz Budapest nicht, niemand also soll sich voll Tatendrang auf die Suche machen. Es mag freilich sein, daß in ungewisser Zukunft irgendwo eine Institution gleichen Namens eröffnet, bis dahin haben wir aber unsere Olga, die Königin der Pester Kellnerinnen. Für den Gast, der in dem Richtungswirrwarr der Gastronomie hilflos umherirrt, ist Olga die Erlösung selbst. »Welch eine Anmut in Gang und Haltung!« würden wir gern laut vor Freude ausru- fen, belassen es aber dabei, leise in uns hinein mit der Zunge zu schnalzen. Wie sie an heißen Abenden dem männlichen Besucher den Orangensaft, etwas nach vom gebeugt, einschenkt! Eine wahrhaft unersetzliche Choreographie in unserer bewegungsarmen Welt. Wo und wann Olga während ihrer bisherigen Laufbahn als Kellnerin auch immer aufgetaucht ist, sie brachte die Männerwelt in Spannung. Ob in zwielichtigen, sich durch ihre Spielautomaten in wahre Raumschiffe umwandelnden Pressos, ob im stickigen Rauch zwischen ausgedienten, ehemaligen Mittelfeldspielern, das Serviertablett in der Hand, hindurchhuschend, ob zwischen ihre Eßmarken überm Kopf schwingenden ostdeutschen Touristen bedienend oder im Kreuzfeuer finsterer Blicke in düsteren Bars, sie war stets guter Dinge. Sie ist es heute noch, im Ölgeruch hin und hereilend, im Kreis der metallenen, schäbigen Lichteffekte einer alten Kaffeemaschine — ohne besondere Gründe. Weil die Sonne scheint, weil Burda endlich auch in Ungarisch erscheint. Mit diesen Zeilen lassen wir der Nachwelt sagen: es gab einst inmitten der Pressozerstörung eine Kellnerin, die in einer Person Bewegungskünstlerin, ein pantherleibiger Bund von »Lächelscheinen«, das gutgelaunte Engelchen von Ringstra- ßenmokkas und von nichtaufgewässerten Zielwassem war. VI., ANDRÁSSY ÚT 41. 26