Bodor Ferenc: Die Pressos der Stadt - Unser Budapest (Budapest, 1992)

Gyopár (edelweiss) Das einstige Gourmand am Elisabeth-(Engels-) Platz hat end­gültig und restlos seinen Geschmack verloren. Nach einem jüngst zu Ende geführten Clmbau entstand an seiner Stelle ein schnellimbißartiges Mischmasch aus einem Röntgenlabor, der neonbeleuchten Käfersammlung eines naturwissen­schaftlichen Museums und eines durch das staatliche Ver­triebshandelsnetz wiederhergestellten Schlosses im Herzen der Innenstadt, als Beweis der Tatsache, daß die Farbigkeit das bestimmende und demokratische Phänomen unserer Tage ist. Selbst die ungeschlachten, runden Hellseherin- Lampen können die unvollkommenen Formen der Kellnerin­nen, verstärkt durch den Eindruck von Seidenblüschen er­weckender Uniform, unmöglich vergessen machen. Vor dem beiderseitigen Spiegel könnten verfaulte französische Salate mit angebissenen Kipfeln herumliegen, statt dessen dürstet trauriges Unkraut nach Weltstadtchlorophyll. Die an der Wand hängende, glasgerahmte Abbildung des Kleinen Rings erin­nert an die einstigen Samstagnachmittage des heimtückisch abgerissenen Nationalsalons gegenüber. Die runden Tische mit den künstlichen Marmorplatten und die grauen Sessel geben zum lockeren Gespräch in GmbH-Form Anlaß. Die Speisekarte wird von einer Art Gitter, das in Kerkern den Gefangenen von seinem Besuch trennt, verunstaltet. Das Angebot ist so großzügig wie gnadenlos teuer und wird durch eine von der kupfergeschmückten Theke herunterströmende Musik äußerst unsicheren Geschmacks zusätzlich vermatscht. V., ERZSÉBET TÉR 1. 2 17

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