Kiss Katalin: Industrielle Baudenkmäler - Unser Budapest (Budapest, 1993)

tektur um die Jahrhundertwende. Beschließen wir unse­ren Besuch am Westtor, welches eines der gutgelunge­nen Ensembles der 1950er Jahre ist. Kelenfölder Wärmekraftwerk XL, Budafoki út 52. Die systematische Stromversorgung hatte in der Haupt­stadt 1893 begonnen. Zwei Privatunternehmen erzeug­ten und lieferten den Strom. Die Zahl der Elektrizitäts- Verbraucher war rapide angestiegen, deshalb verab­schiedete der Stadtrat 1912 ein Gesetz, daß die Elektri­zität der Hauptstadt durch ein eigenes Elektrizitätswerk gesichert werden müsse. 1914 wurde das mit zwei riesigen Dampfturbinen und vier monumentalen Kes­seln funktionierende Kraftwerk in Betrieb gesetzt. Die architektonische Ausbildung war die Arbeit des Hoch­schulprofessors Kálmán Reichl. Das charakteristische Turmgebäude wurde 1926 gebaut, es diente als Auf­gang zu dem Kaloriferhaus, welches das Kesselhaus ergänzte, enthielt einen Betriebswasserbehälter und zeigte mit seiner 2 Meter groJ3en erleuchteten Clhr bei Einbrechen der Dunkelheit die Zeit. Der Turm und das zwei Jahre später erbaute Schalthaus sind die Arbeit des Architekten Virgil Bierbauer (Borbíró). Dieser gehör­te zu den bedeutendsten Architekten der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen. Er war ein agiler Erneurer, Archi­tekturkritiker, Schriftsteller, produktiver Architekt, der moderne Materialien und Konstruktionen bevorzugte und die ungeschminkte architektonische Erscheinung für nachahmenswert hielt. Seine beißende Kritik am schon beschriebenen Schalthaus vom Szentendrei út verglich dieses mit einem antiken Tempel und be­schämte das Architektenpaar, welches dieses Gebäude von nun an in ihren fachmännischen Biographien uner­wähnt lie_ß. Das Schalthaus von Virgil Bierbauer im Kraftwerk von Kelenföld ist eine Eisenbetonkonstruk­tion, die Ziegelwände spielen nur eine füllende, raum­einteilende Wirkung. Die Ziegelmauerung bewirkt mit ihrer schönen Textur auf den riesigen Flächen ein ange­nehmes Licht- und Schattenspiel. Die gegenwärtige Modernisierung der elektrischen Einrichtungen wird früher oder später zur Einstellung des Schalthauses führen, genau wie das bei der Trans­formatorenstation in der Markó utca und bei anderen der Fall war. 46

Next

/
Thumbnails
Contents