Kiss Katalin: Industrielle Baudenkmäler - Unser Budapest (Budapest, 1993)

Luccaer Filatoriums ein sechsstöckiges Gebäude mit speziellen Aufgaben als Filatorium hier in Óbuda. Das Filatorium ist ein Betrieb zum Mulinieren und Spinnen der Seide, in welchem die Fäden zum Weben von Seide erzeugt werden. Es wurde neben einen Bach gebaut, damit die Wasserenergie die Räder, welche dann die Spulen drehten, betreiben sollte. Der kleine Bach konnte nur recht schwer bei der Eröffnung, wo auch Joseph II. anwesend gewesen war, die Maschine­rie in Bewegung bringen. Deshalb entschloß man sich zum Bau eines Staudamms. Der riesige Bau steht heute nicht mehr, erinnern tut daran jedoch noch der Name „Filatori-gät“ („Filator-Damm“). 1785 begann das bis heute erhaltene Deglomerato- rium, d. h. die Seidenwicklerei zu produzieren, ln dem eigenartig geformten Gebäude wickelte der veneziani­sche Fachmann Ágoston Mazzucato nach den Metho­den seiner neuesten Erfindung die Seidenfäden von den Kokons. Nach den Plänen und Anleitungen von Mazzucato hatte József Tallherr die Baupläne angefer­tigt. Im Erdgeschoß des Gebäudes waren vierzig Kessel in Betrieb, im Stock wurden die Kokons tonnenweise gelagert. In der vom venezianischen Meister ins Leben gerufe­nen Seidenspinnerei-Schule lernten vierzig junge Arbei­ter aus allen Teilen des Landes die Seidenwicklerei. Die beiden, zu ihrer Zeit berühmten Gebäude funktionierten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts; das Filatorium wurde später abgerissen, die Seidenwicklerei zu Woh­nungen umfunktioniert. Die inneren Arbeitsräume wur­den durch Zwischenwände in Zimmer umgewandelt, der Innenhof wurde, damit die einzelnen Wohnungen besser zugänglich waren, in einen Außengang mit Ei­senkonstruktion umgebaut. Mehrere Öffnungen des Gebäudes wurden zugemauert, der eine Arm der ge­schweiften Eingangsstiege abgetragen. Das vernachläs­sigte und verunstaltete Gebäude wurde 1955-56 re­stauriert, und zwar nach den glücklicherweise erhalten gebliebenen originalen Plänen. Wahrscheinlich war es seinem besonderen Äußeren und gutem Zustand zu verdanken, daß es nicht, die die übrigen Gebäude Óbudas, den Baggern zum Opfer fiel und nun wie eine Insel inmitten der Betonriesen dasteht. Das schöne einstöckige Gebäude mit ovalem Grundriß hat ringsherum 24 einfache, steingerahmte Fenster. An der kürzeren Fassade des Gebäudes führt eine zweiar­mige Freitreppe in den ersten Stock. Diese verleiht dem schon in den Klassizismus reichenden spätbarocken 16

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