Korniss Péter: Innenhöffe - Unser Budapest (Budapest, 1993)

Halboffener Raum. Starkes Frühnachmittagslicht von links. An der beleuchteten Seitenwand ein großes Fenster, zu beiden Seiten weit geöffnete, fest angehakte, glänzend saubere Fensterflügel. Möglichst Gitter. Die hintere Raumhälfte durch zwei Stufen bühnenartig erhöht. Rechts eine dunkle Nische, tief in die Ecke gerückt ein zweitüriger Schrank, Biedermeier, eventuell Neorokoko. Davor ein mittelgroßer Campingtisch. Mit der Vorderkante muß die Tischplatte genau dem weißlichen Streifen der Hauptwand folgen. Am Rand des Podestes, in pedantisch abgemessener Entfernung von der Wand, steht, mit der Sitzfläche in Richtung Licht, ein Campingstuhl, das Schaumgummikissen hat einen Überzug mit geometrischem Muster, möglichst Pepita. Links, am Fuß der steil nach oben führenden Treppe, eine Türöffnung mit Rundbogenabschluß, streng im rechten Winkel geöffneter Türflügel, zum Abstützen eine fehlerlose Steinplatte, ln der Mitte, in einer wohlproportionierten bogenförmigen Wandnische, eine Frau von dreißig mit unversehrtem Körper. Unten hellgrauer Steinboden, möglichst künstlicher Marmor. Lange Minuten Stille. Aus dem Raum hinter dem Fenster erklingt leise, vorerst kaum hörbar, das Signal des Kossuth-Senders. Eine weiche Moderatorenstimme: „Klassiker zur Mittagszeit.“ Debussy. Eventuell Mahler. Die Musik wird langsam lauter, doch dort draußen rührt sich noch lange Zeit nichts. Die Frau bewegt sich zum erstenmal in einem rhythmisch entsprechend gesteigerten Moment. Zuerst massiert sie lange ihren Nacken, dann läßt sie ihren Arm sinken und ihren Kopf kreisen. Sie beugt sich aus dem Rahmen, schaut umher. Beobachtet lange den Stuhl. Hockt sich hin. Setzt sich auf den Sims, stößt sich mit den aufgestützten Händen vorsichtig, doch flott ab. Nun steht sie unten auf den Steinen. Die Musik verstärkt sich ständig. Sie reibt ihre Handteller sachte aneinander, schaut, wie im Licht der Steinstaub funkelnd hochsteigt. Locker und ungezwungen tritt sie zu dem Stuhl. Der Schauplatz wird dunkel. Einige Minuten erklingt noch die Musik, bricht dann plötzlich und möglichst unerwartet ab. 12

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