Gerle János: Die Jahrhundertwerde - Unser Budapest (Budapest, 1993)

besichtigt haben, können wir respekt- und ehrfruchtsvoll am Parlamentsgebäude Vorbeigehen. In einer Bauzeit von zwan­zig Jahren zog dieser Komplex (ein in seiner ursprünglichen Form erhaltenes Beispiel des späten Historizismus) ein Heer von Architekten, Kunstgewerblern und Handwerkern an, die um die Jahrhundertwende mit ihrem Können das Niveau der Kunstwerke neuer Strömungen sicherten. Einen ehrenvollen Abschied kann man der Leopoldstadt mit einem Gang entlang der Falk Miksa utca erweisen (Nr. 5, 6-8, Emil Vidor, 1910-1911; Nr. 13, Gyula Fodor, 1909; Nr. 15, Miklós und Ernő Román; Nr. 18-20, Gyula Fodor, 1911; Nr. 24-26, Miklós und Ernő Román; und schließlich an der Ecke: Szent István körút 5, Sándor Heidelberg und Dávid Jónás, 1900). Am Szent István körút treffen wir auf zwei weitere im Wiener Stil gebaute Wohnhäuser von Kármán und üllmann (Nr. 10 und 12, 1903-1904). Das Tor des linken steht für die Kunst der virtuosen Kunstschlosser Forreider und Schiller. Wer noch Kraft zum weiteren Spazieren hat, dem empfeh­len wir, die Route in der Neuen Leopoldstadt fortzusetzen. Man wird in der Pannónia, Hegedűs Gyula, Visegrádi utca und der Radnóti Miklós utca viele Sehenswürdigkeiten finden. Vierte Roüte (Terézváros) Die Route beginnt am Deák tér. Er ist einer der aus architekto­nischer Hinsicht lehrreichsten Orte der Hauptstadt. Es haben an ihm alle wichtigeren Epochen der Baukunst ihre Spuren hinterlassen. Wenn man sich umblickt, entdeckt man den skandalumwitterten Anker Palast von Alpár, dahinter am Ká­roly körút zeugt der expressionistisch-monumentalistische Triumphbogen aus den dreißiger Jahren von dem fast ein Jahrhundert über anhaltenden Fiasko der Stadtplanung, daß die hier vorgesehene Radialstraße nie verwirklicht worden ist. An der gegenüberliegenden Seite des Rings steht die wunder­bare, im klassizistischen Stil ohne Glockenturm erbaute evan­gelische Kirche. An der Einmündung der Deák Ferenc utca befindet sich das einstige Warenhaus Modern & Breitner, das wohl schönste Beispiel für den Einfluß des deutschen Ju­gendstils in Ungarn. Die vertikale Einteilung und besonders die gelungene figurale Ornamentik (Révész und Kollár, 1910) zeigt die Charakteristik ungarischer Warenhäuser um die Jahrhundertwende. In seinem Erdgeschoß bot das Kultur- und Informationszentrum der DDR Jahrzehnte hindurch billi­ge Bücher und Schallplatten an, jetzt protzt hier ein Autosalon mit sündhaft hohen Preisen. Tiefer in der Deák Ferenc utca folgen weitere Geschäfts­27

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