Ferkai András: Moderne Gebäude - Unser Budapest (Budapest, 2009)
konservative Politik der zwanziger Jahre zwang die Avantgarde zur Emigration und hemmte die Entfaltung der neuen Architektur. Der Durchbruch geschah Ende der zwanziger Jahre und 1943 baute man auch noch moderne Häuser in Budapest. Ich habe den Stoff des Buches nach Gebäudetypen gruppiert, der Standpunkt der Chronologie kommt jedoch innerhalb der Gruppen und auch zwischen ihnen zur Geltung. Einfamilienhäuser, Villen Die erste moderne Villa der Hauptstadt wurde 1924 nach Plänen von Alfréd Forbát (1897-1971) am Gellértberg gebaut (XI. Kelenhegyi út 46/B). Forbät hatte in München studiert und arbeitete 1921-22 im Büro von Walter Gropius in Weimar. Er spielte auch eine bedeutende Rolle bei der Ausarbeitung der 1922 entworfenen Typen-Häuser der Bauhaus-Siedlung. Den zu Hause auf Besuch weilenden jungen Architekten beauftragte der Fabriksdirektor Pál Szegő ein halb fertig stehendes Wohnhaus umzuplanen. Forbát entwarf ein einfaches Haus mit Hochdach, aussen mit einer glatten Fassade mit geriebenem Kiesbewurf, die inneren Räume hingegen ließ er von Hin- nerk Scheper, dem Leiter der Bauhaus Wandmaler-Werkstatt ausmalen. Leider machten die Kriegsschäden und die barbarischen Umbauten der sechziger Jahre die Villa unkenntlich: ihr originales Raumsystem wurde zerstört, die Fassaden gänzlich verändert. Keines der beiden modernen Einfamilienhäuser, die dem Szegö-Haus zeitlich folgten vertraten den Geist des Bauhaus. Die jungen ungarischen Architekten vom Ende der zwanziger Jahre schöpften ihre Ideen aus einem breiteren Umfeld. Der aus einer Architekten-Dynastie stammende Bertalan Árkay (1901—71) z. B. war als „zur römischen Schule" gehörend bekannt, da er 1928 das Stipendium des Kultusministeriums am Collegium Hungaricum in Rom erhielt und die klassizisie- rende Moderne des italienischen Novecento ihn wirklich beeinflusst hatte. Das von ihm 1927 am Berghang über dem Pasarét gebaute Wohnhaus vertritt diesen Geist jedoch noch nicht. Das für den Direktor der Pester Walzenmühlen-Aktien- gesellschaft errichtete Wohnhaus (II. Virág árok 15) besteht aus einem Kubus im Erdgeschoss und einem am ersten Stock. Den höheren Block bedeckt eine stark hervorspringende Eisenbetonplatte, der untere Block hat eine Dachterrasse. Den Charakter des Gebäudes bestimmen die waagerechten Linien und zwei Materialien: der Kunststein bzw. die rote Ziegelverkleidung. Am oberen Teil ist sogar die Ziegelverkleidung waagerecht gegliedert: jede zweite Ziegelreihe ist nach hinten gezogen, so scheint die Ziegelmauer der Schattenwirkung wegen gestreift. Dieser 6