Szegő Dóra - Szegő György: Synagogen - Unser Budapest (Budapest, 2004)

Zwei historische Wenden erklären die Umgestaltung der Tempelfunktion: Das kultische Zentrum der Juden, den Tempel, zerstörten 587 v. u. Z. die babylo­nischen Heerscharen zum ersten Mal, dann das wiedererbaute Heiligtum 70 u. Z. die römischen Legionen des Titus zum zweiten Mal. Nach der Zerstörung seines Kultzentrums organisierte das Judentum seine liturgische Tätigkeit und das All­tagsleben um und schuf seine sakralen Räume von Neuem — gebunden an die Thorarolle, die „tragbare Heimat" (H. Heine). Die Synagoge wird Ort der Ver­sammlung, wo die opferlose, nun vereinfachte und verinnerlichte kultische Praxis durch die Lehre, das Vorlesen der Schrift und das Üben der Interpreta­tion ergänzt wird. Es ist nicht unbedingt ein heiliger Raum, eher ein Versamm­lungsort, Treffpunkt, in seiner Funktion dem Lehrhaus (Beth Hamidraich), dessen Unterrichtsraum verbunden. György Gábor meint: „Der intime Raum unterstrich den familiären Charakter des Gottesdienstes, die Tatsache, daß mit Eintreffen des Samitagi die Mitglieder der jüdischen Gemeinde eines gegebe­nen Ortes zueinander fanden und dadurch dieser Raum, welcher - vergessen wir nicht, nun auch zum Ort des Lernens geworden war - zur würdigen Ein­leitung, sozusagen zum Vorraum des zu Hause fortzusetzenden, im Familienkreis sich erfüllenden Festes und Gedächtnisfeier wurde.” Das heimatlose Judentum hat mit dem Topos der aus der Umwandlung des Raumes des kultischen Tempels in den engeren intimen Raum des gemein­samen Gebetes und Unterrichts der Synagoge in bestimmender Art und Weise zur Erhaltung des Judentums beigetragen „ Der spirituelle, himmlische Tempel hingegen, der seit Ewigkeit existiert und der nicht durch Menschenhand ge­schaffen wurde, wartet auf das Kommen des Messias, um am gewohnten Ort und in alter Pracht nun eine höhere Geistigkeit, als ewiges Symbol der Harmo­nie des miteinander wohnenden Wolfes und Lammes den endlichen Frieden zu verkünden" - schreibt der Religionsphilosoph. Der Kirchenbegriff der westlichen Zivilisation stammt vom Jerusalemer Tem­pel. Durch Vermittlung des Heiligtums der Hebräischen Bibel - der „tragbaren Heimat" - gelangt er als objektivierter „Himmlischer Tempel" in den Westen. Die Heere der Kreuzzüge konnten den Jerusalemer Tempel weder behalten, noch im irdischen Sinne in seiner gesamten materiellen Existenz nach Westen umsiedeln. Der christliche Glaube erschuf - ähnlich dem Tempelbegriff der jüdischen Diaspora - den heiligen Begriff des „Himmlischen Jerusalem". Nach der gemeinsamen iberischen maurisch-jüdischen Glanzzeit des Mittel­alters flüchteten die sephardischen Juden nach Osten. Und sie flüchteten jahr­hundertelang. Einigen Forschern nach sollen sie im Mittelalter in Polen und Ungarn auf schon früher aus Jerusalem hier angekommene Gruppen getroffen 7

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