Szegő Dóra - Szegő György: Synagogen - Unser Budapest (Budapest, 2004)
Gleichzeitig mit der Zunahme der Pester Juden begann auch ihre Differenzierung. Die verschiedenen Gruppen gründeten zahlreiche Lehr- und Hilfsvereine, die eigene Bet- und Vereinshäuser in der Theresienstadt ins Leben riefen. Die bedeutendsten befanden sich an der Ostseite des heutigen Károly körút, in dem Anfang der 1700er Jahre gebauten Orczy-Haus. Eines der ursprünglich zwei Häuser besaß die Familie Orczy, das andere der Baumeister Andreas Mayerhoffer. Ende der 1700er Jahre kaufte József Orczy auch den Mayerhoffer-Teil. Die aufgeklärte adlige Familie Orczy hatte die nach Pest gezogenen jüdischen Familien als Mieter aufgenommen. Damals erhielt dieses größte, doppelhöfige Mietshaus des einstigen Pest den Namen Judenhof. Neben seiner Aufgabe als Wohn-, Gemeinde- und Dienstleistungshaus erfüllte das Gebäude auch eine wichtige Rolle als Lagerhaus. Das Haus wurde zum Zentrum des Judenviertels - mit seinen Mietwohnungen, der koscheren Metzgerei, einem koscheren Gasthof und Kaffeehaus (im großen Saal eine Börse), sowie einer jüdischen Buchhandlung, rituellen Bädern und Glaubensvereinen. Die erste Form des Vereins, der jüdischen Tradition nach der Heilige Verein der Bestattung (Chevra Kaddischa) wurde 1790 in Pest gegründet, gefolgt vom Verein Schur (1800) zur Pflege der jüdischen Tradition und dem Verein Zion. Anfang der 1800er Jahre entstand der Verein Chesed Neurim zur Unterstützung der Kranken und zwar im Haus „Weiße Gans" neben dem Orczy-Haus, danach der Verein Bikur Cholim zur Krankenhilfe. Der Verein Menachem Avelim wurde zur Behütung der Trauernden, der Verein Tomche Jesomim zur Betreuung der Waisen gegründet. Hilfsbereitschaft war immer an der Tagesordnung. Die Landesweite Israelitische Fürsorge-Vereinigung wurde hundert Jahre später (1910) ins Leben gerufen. Die Vereine, Vereinigungen, Schulen, Spitäler, Waisen- und Armenhäuser waren Schauplatz der Aktivitäten verschiedener Gruppen mit gleichen Prinzipien. Diese versammelten sich, vor allem von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an - nicht mehr nur in kleinen Räumen, sondern bauten selbständige Gebäude als Bet- oder Vereinshäuser. Ihre Mitgliedzahl kann bloß den Maßen ihrer Häuser nach geschätzt werden, sie betrug etwa je 100 bis 500 Personen. Die meisten dieser Räumlichkeiten und Vereinssitze befanden sich anfänglich im Orczy-Haus und dessen Umgebung, später dann vor allem in der Theresienstadt und Elisabethstadt Die erste, ausgesprochen als Bethaus benützte Synagoge wurde im Jahre 1796 ebenfalls im Orczy-Haus gegründet. Ihr erster Rabbiner war von 1799 an Israel Ben Salomon Wahrmann, der noch in Óbuda geboren wurde und in Pest nur „Commorans"-Status hatte. Unter seiner Führung entstanden die gesetzlichen Rahmen und Führungsstrukturen der Pester jüdischen Gemeinde. Da die Gemeinde immer größer wurde, mietete man 1820 das frisch 24