Boros Géza: Statuenpark - Unser Budapest (Budapest, 2002)
wie Graf Latour in Wien gelyncht wurde. Man hatte ihn während des Wiener Aufstandes von 1848 an einem Laternenpfahl erhängt. Petőfi schreibt diese Version nieder: ,Am Halse Latours ein Strick'. Also, Latour wurde an einem Laternenpfahl erhängt. Seither bedeutet der Laternenpfahl in der ungarischen Literatursprache nicht ein Beleuchtungskörper, sondern soviel wie Galgen. Und Béla Kun steht dort neben dem Laternenpfahl (Tag und Nacht brannte in ihm die Lampe). Also, deshalb war dies ein kritisches Denkmal. Natürlich nicht für einen Analphabeten..." Von Anfang an betrachteten die Bewohner der Stadt das Denkmal mit Abneigung. Am 23. Oktober 1991 hüllten Aktivisten des Ungarischen Demokratischen Forums das Werk in ein dunkelblaues Tuch. Die Bajonetten bekamen einen weißen Schutzüberzug, Béla Kun ein weißes Geistergewand und eine Narrenkappe. Die Zeitschrift Új Magyarország kommentierte das Ereignis folgendermaßen: „Ein Gespenst zog durch Europa, und nun endet die Vergangenheit so gespenstisch." 25 . Ferenc-Münnich-Statue (István Kiss, 1986) Ferenc Münnich war ebenfalls eine führende Gestalt der Arbeiterbewegung. Er übernahm eine aktive Rolle bei der Niederwerfung der Revolution von 1956 und den darauf folgenden Repressalien. Für sein Wirken erhielt er sogar zweimal die höchste internationale kommunistische Anerkennung, den Lenin-Orden. Die Statue wurde anlässlich des 100. Jahrestages der Geburt Münnichs im Regierungsviertel aufgestellt, auf dem Néphadsereg (heute Honvéd) tér. Die Figur steht auf einem Podium aus Pflastersteinen, die eine Hand zum Gruß erhoben, mit der anderen auf einen Tisch gestützt, dessen Beine ursprünglich aus Munitionskisten bestanden. Der Analyse Tibor Wehners nach ist das Werk ein typisches Beispiel dafür, „wie eine bestimmte Form, die zu Beginn der siebziger Jahre entstand und damals originell und erneuert schien, zum offiziellen Stil, zur unaufhörlich angewendeten Schablone wurde. An den Namen Imre Vargas knüpft die Entwicklung jenes Denkmaltyps, bei welchem die historischen Figuren von ihrem hohen Podest heruntersteigen, sich der Ebene des Zuschauers nähern, wieder normale Lebensgröße einnehmen. Diese neue Art der .Authentizität’ wird durch bestimmte - meist symbolische - dingliche Requisiten unterstrichen, die denjenigen der traditionellen Denkmäler eher fremd sind. (Sie charakterisieren z. B. das Umfeld, zitieren die historische Rolle u. a.) István Kiss übernahm dieses Schema ebenfalls, jedoch ohne jede Originalität und plastisches Denken. Er stellt den bei weitem nicht charismatischen Münnich von unbedeutendem Äußeren als uninteressant geformte, ausdruckslose Figur dar, die Munitionsladen hingegen bieten eine absurde Umwelt für eine an einen Bankangestellten erinnernde 36