Faurest, Kristin: Zehn Budapester Plätze - Unser Budapest (Budapest, 2010)

neue Gefahren den Nachbarschafts-Platz, ähnlich denjenigen, welche die ameri­kanischen Städte in den blühenden Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhren. Sobald die Aneignung persönlichen Wohlstands nicht bloß zu einer Möglichkeit, sondern zur Priorität wird, verlassen jene, die es sich erlauben können, meist ihre urbanen Nachbarschaften und ziehen in exklusivere Vorstandtorte mit eigenem Garten. Typisch für diese Art der Entwicklung ist, dass fast alle äußeren Gebiete im Privatbesitz sind und es sozusagen gar keinen öffentlichen Raum gibt. Wenn Privatraum über öffentlichen Raum Priorität gewinnt, entsteht ein Null­summenspiel, in welchem das Gemeinsame unverweigerlich den Kürzeren zieht. Der öffentliche Raum wird nicht zum Bestimmungsort unserer Wahl, sondern zum unweigerlichen Ziel derer, die keine Wahl haben. Es gehört zu unserer Natur, dass wir solche Orte aufsuchen, wo wir anderen Menschen begegnen — das ist menschlicher Instinkt und keine Qualität, die sich durch Zeit oder Politik ändert. Und trotzdem hat die Nachkriegsstadtplanung zu beiden Seiten des Atlantiks dazu beigetragen, das Leben fast ganz abseits vom urbanen öffentlichem Raum aufzubauen. Budapest als Stadt hat in den letzten Jahren mehr als eine Viertelmillion Einwohner an Vororte verloren, ein Prozess ähnlich demjenigen im Amerika der 1950er und 1960er Jahre. Da nun zahlreiche amerikanische Städte die letzten Jahrzehnte damit verbracht haben, den Schaden dieser Periode wiedergutzumachen und die innerstädtischen Nachbarschaften wieder zu beleben, ist es keine Übertreibung zu behaupten, dass wir den Suburba­nisierungsprozess zu unserm eigenen Verderben ignorieren. Die Planung und Entwicklung Budapests führte zur Entstehung vielfacher kleiner Nachbarschafts-Plätze, von denen viele als Märkte begannen und dann andere Aufgaben übernahmen. Von Natur aus sind sie lokal, jenen, die außerhalb der nächsten Umgebung wohnen, meist unbekannt. Wir finden hier eine Vielfalt an Größen, Atmosphäre, Funktionen und Architektur. Die Plätze von Buda (Ofen) sind typisch weniger dicht bebaut, weniger urban, mit den sie umgebenden Gebäuden weniger integriert. Im 111. Bezirk finden wir phantastische Plätze, die Plattenbauten der sozialistischen Ära mit perfekt erhalten gebliebenen Barockgebäuden kombinieren, umgeben von römischen Ruinen. Die Plätze des inneren Pest (Pesth) besitzen eine größere Einheit der Architektur und weniger offenen Raum. Viele von ihnen tragen das unauslöschliche Zeichen der 19. Jahr­hundert-Tendenz des Niederreißens alles Alten, Unregelmäßigen zu Gunsten 8

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