Szablyár Péter: Turmhoch - Unser Budapest (Budapest, 2007)

vor den 1997 erbauten 452 m hohen Twin Towers in Kuala Lumpur und dem 1974 ge­bauten 443 m hohen Chicagoer Sears Tower. Mit Entsetzen konnten wir am 11. September 2001 das Einstürzen des höchsten Turmpaares der Welt mitansehen. Die Architekten entmutigte dies jedoch nicht: Sie planen neue Türme an deren Stelle. Das Erscheinen neuer Materialien und die Möglichkeit der Überschreitung der von veralteten Baumaterialien bestimmten Grenzen sind eine ständige Herausforderung. Gegenwärtig gibt es 62 000 Hoch- häuser-Wolkenkratzer auf der Welt und ihre Zahl nimmt standing zu. Die Bautechnologie der amerikanischen (New Yorker, Chicagoer, Bostoner, Phila- delphiaer) Wolkenkratzer, ihre Konstruktionslösungen, ihre revolutionäre Skala­veränderung wurden natürlich auch in den europäischen Architektenkreisen bekannt. Es fehlten jedoch im "alten Europa" - und besonders in Ungarn - jene Umstände und Voraussetzungen, die in der Neuen Welt sozusagen wie auf einen Zauberschlag immer höhere Türme, Geschäfts- und Wohnhäuser emporzogen. Es gab keine solche Kapitalkonzentration, es hatten sich keine Unternehmen- und Bankgruppen gebildet, welche die Industriezweige in sich verschmolzen, eine Monumentalität, die "das Über-Allem-Stehen''eines Unternehmenimperiums aus­drückte, war nicht notwendig. Es gab auch die intensive Grundstückspekulation, die zur Minimalisierung der Baugrundstücke führte, noch nicht. Die einheimischen Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betrach­teten trotzdem die Wolkenkratzer-Bauwelle von Übersee mit echter Bewunde­rung, die Reisebeschreibungen und Filme, sowie Reportagen der Bildzeitschrif­ten machten sie in weiten Bevölkerungskreisen bekannt, machten diese Gebäude sogar zum Symbol der Vereinigten Staaten - und somit der Freiheit. Die ein­heimische Architektur wurde auch vom deutschen "Hochhausfieber" beeinflußt, die Bauregulierung von 1914 - mit der erlaubten Gesimshöhe von 25 m — bremste jedoch die himmelwärts strebenden Vorstellungen. Die konservativen Archi­tekten sahen in den Wolkenkratzern die anarchistischen Symbole der liberalen Stadtpolitik, die radikalen jungen Architekten hingegen betrachteten sie als die Herausforderung der Zukunft, die Verkörperung der Moderne. So konnten auf dem Titelkopf der Architekturzeitschrift Tér é& Forma (Raum und Form) die beiden ersten virtuellen Wolkenkratzer unserer Hauptstadt zwischen den Konturen der Sankt Stephans-Basilika und des Kunstgewerbemuseums er­scheinen. 11

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