Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)
1. Landschafts- und Gemeinschaftswandel als Folge von Migration - Krauss, Karl Peter: Migration und Modernisierung. Sozioökonomische Prozesse und Kulturlandschaftswandel in Transdanubien im 18. Jahrhundert
8 Krauss, Karl-Peter: Migration und Modernisierung (Fata 2014: 3). Gerade diese national konnotierte Diskussion blockierte die Forschung noch über Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg. In Bezug auf die deutsche Einwanderung in das Königreich Ungarn ergab sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s im Wesentlichen eine bipolare Deutung Während von österreichischer Seite die Aufbauleistung der deutschen Ansiedler betont wurde, wurde diese Ansiedlung von ungarischen Plistorikem als ein Versuch der Germanisierung betrachtet. Zudem wurde betont, dass bedürftige und mittellose Einwanderer gekommen seien.3 Diese Polarisierung setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg fort und gipfelte auf deutscher Seite schließlich in der sog. Kulturträgertheorie, in der die deutschen Kolonisten als „Kulturbringer“ glorifiziert wurden.4 Andere betonten die Aufbauleistung der Siedler als „creatio ex nihilo“ (Seewann 1992: 143, 144). Eine „großdeutsche“ Sicht auf die Leistungen der deutschen „Kolonisten“, aber auch der städtischen deutschen Bevölkerung in Ungarn ging parallel zu einer zunehmenden Vereinnahmung der deutschen Minderheiten am Vorabend des Zweiten Weltkrieges durch das nationalsozialistische Deutschland (Fata 2014: 8-10). Die ungarische „Meistererzählung“ hingegen wertete die deutsche Migration in das Königreich Ungarn, indem sie die deutschen Ansiedler als „Bettler“ betrachtete.5 Diese Argumentationsstränge reichten bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und erwiesen sich als erstaunlich langlebig.6 Kulminiert war diese Auffassung in der Aussage des Pfarrers und Parlamentsabgeordneten Béla Varga, der im November 1942 verkündet hatte: „Mit einem Bündel sind sie gekommen, mit einem Bündel sollen sie gehen.“ Ein Bild, das im Januar 1945 vom Parteiführer der Nationalen Bauernpartei, Imre Kovács, aufgegriffen wurde, um die Vertreibung der Deutschen in Ungarn zu rechtfertigen (Spannenberger 2001: 313-315). 3 Der ungarische Historiker Henrik Marczali stellt hier eine der wenigen Ausnahmen dar (Fata 2014: 5f.). 4 So schrieb etwa Adalbert Piszler 1942 in der aufgeheizten Stimmung des Krieges: „Immerhin sind die donauschwäbischen Bauern im Bewusstsein ihrer kulturellen Sendung viel zu stolz, um das Konnubium mit der fremdvölkischen Umwelt einzugehen, während sie das Kommerzium pflegen“ (Piszler 1942: 368). 5 Márta Fata zitiert in diesem Zusammenhang Jenő Szentkláray, der die ersten deutschen Siedler des Banats als „herrenlos herumwandernden Pöbel“ bezeichnete; Borovsky, Samu (Hg.): Temes vármegye és Temesvár. Budapest [1912], S. 350 (Fata 2014: 5). 6 Hier ein Beispiel in Bezug auf die Darstellung der Deutschen als „Kulturbringer“ nach dem Zweiten Weltkrieg: „Kein zweites Volk der Welt hat aus rein menschlichen Beweggründen im Dienste des westlichen Fortschritts einer fremden volklichen Gemeinschaft eine solche Hilfestellung gewährt [...]“ (Weidlein 1963: 7). Hingegen argumentierte der gleiche Autor 1937 noch vergleichsweise moderat (Weidlein 1937: 487-492).