Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)

4. Folgen von Migrationsprozessen auf die Literatur - Kerekes Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur – gefangen zwischen Authentizität und Fiktionalität sowie ohne Aussicht auf internationalen Erfolg?

Kerekes, Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur 237 preis 2013 erhalten hatte, sind die Hoffnungen in Ungarn wieder gestiegen, ein ungarndeutscher Autor könnte Ähnliches erreichen. Doch bei aller Wertschätzung für die angeführten Autorinnen sollte man nicht übersehen, dass keine einzige von ihnen als in einer Minderheitensituation lebende Künstlerin geschrieben hat. Zumeist sind sie auch nicht ungamdeut- scher, sondern ungarischer Abstammung, wenn noch nicht im deutschen Sprachraum geboren, so doch dort aufgewachsen und sozialisiert, und aus die­sem Grunde auch keine Minderheitenautoren, die in eine Reihe mit den in Ungarn schaffenden ungamdeutschen Autoren gestellt werden könnten.9 Sie sind vielmehr deutsche bzw. Schweizer Autoren, die in ihren Werken mehr oder weniger stark auch auf eine ungarische, ungarndeutsche bzw. eine Minderheiten­thematik eingehen. Sie als Vorbild anzuführen ist, was die Qualität, die Sprache, 9 Zsuzsa Bánk kam 1965 in Frankfurt am Main auf die Welt, ihre Eltern waren 1956 nach dem Aufstand in den Westen geflohen. Sie wuchs zwar zweisprachig auf, doch ihre Erziehung, ihre Sozialisation, all ihre Erfahrungen haben weder mit dem Ungarn- deutschtum noch mit den Erlebnissen einer ethnischen Minderheit zu tun. So bemer­kenswert ihre Werke — und aus ungarischer Sicht selbstverständlich besonders ihr 2002 erschienener Roman „Der Schwimmer” — auch sein mögen, Zsuzsa Bánk kann man beim besten Willen nicht als ein Beispiel einer ungarndeutschen Autorin bezeichnen. Ildikó von Kiirthy ist 1968 in Aachen geboren, ihr Vater stammte aus Ungarn. Ihren ers­ten Sohn gab sie 2006 den Namen Gábor, doch viel mehr hinsichtlich Ungarns lässt sich im Zusammenhang mit ihrer Person und aus ihren Werken nicht herausdestillieren. Sie gehört zu den erfolgreichen Autorinnen Deutschlands, wobei dieser Erfolg auch auf die ironisch-humoristische Tonart ihrer Werke zurückzuführen ist, in denen sie sich mit den Beziehungsproblemen moderner urbaner (deutscher) Frauen beschäftigt. Die Frau- ge, inwieweit diese Werke überhaupt als ernsthafte Literatur angesehen werden können, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben, denn für den Gesichtspunkt unserer Betrach­tung ist er nebensächlich. Ildikó von Kürthy ist sicherlich kein gutes Beispiel für die ungarndeutschen Autoren, da ihre Abstammung, ihre Erziehung und die Tendenz der Darstellung der von ihr in ihren Werken behandelten Probleme sie eindeutig in die deutschsprachige Literatur einordnen lässt. Meünda Nadj Abonji ist 1968 in Qbecse/Becej, im serbischen Teil Jugoslawiens geboren, stammt aus einer ungarischen Familie in der Vojvodina und kam 1973 im Alter von fünf Jahren in die deutschsprachige Schweiz, wo sie dann nach dem Ungarischen, das ihre Muttersprache ist, das Deutsche erlernte. In ihrem ausgezeichneten Roman Tauben fliegen auf geht es auch primär um die Fragen der Assimilation oder — weniger „kalt” formuliert — des sich Einlebens in eine neue Welt, die Heimatfindung. Weder sie noch die Fragestellungen in ihrem Werk kann man als unmittelbares Vorbild für einen ungamdeutschen Autor ansehen. Teresa Mora ist 1971 in Ungarn in Sopron/Ödenburg geboren, ist zweisprachig aufge­wachsen, ging 1990 zum Studium nach Berlin. Im Laufe der 1990er Jahre beginnt sie zu schreiben — was ihre Themenwahl angeht, kann man sie wohl kaum als „ungarndeut­sche“ Autorin bezeichnen.

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