Radek Tünde - Szilágyi-Kósa Anikó (szerk.): Wandel durch Migration - A Veszprém Megyei Levéltár kiadványai 39. (Veszprém, 2016)
4. Folgen von Migrationsprozessen auf die Literatur - Kerekes Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur – gefangen zwischen Authentizität und Fiktionalität sowie ohne Aussicht auf internationalen Erfolg?
224 Kerekes, Gábor: Die moderne ungarndeutsche Literatur „Generationen“ sprechen: Die Gründergeneration (etwa Georg Fath und Franz Zehner), die zweite Generation (Engelbert Rittinger, Erika Ats, Ludwig Fischer, Georg Wittmann und Franz Sziebert), die dritte (z.B. Valeria Koch oder Claus Klotz), die vierte (u.a. Marta Fata, Eva Gemer) sowie die jüngste, die fünfte Generation (wie Robert Becker, Koloman Brenner und Angela Korb). Die einzelnen Generationen umfassen Personen mit jeweils ähnlicher Biographie, vergleichbarem Bildungsweg und einer verwandten Auffassung von Literatur. Betrachtet man die ungarndeutsche I .iteratur der Vorwendezeit, so ist auffällig, welche Themenkomplexe besonders gemieden oder zumindest nur ganz vereinzelt dargestellt wurden. Wollte man sehr plakativ formulieren, so müsste es heißen: Vor der politischen Wende von 1989/90 gab es in der ungarndeutschen Literatur drei unübersehbar tabuisierte Bereiche, nämlich die Bereiche der Politik, der Religion und der Sexualität. Nach der politischen Wende haben wir es ebenfalls mit drei tabuisierten Bereichen zu tun, und es handelt sich bei ihnen erneut um die Politik, die Religion und die Sexualität. 2 Die Ungamdeutschen und ihre Literatur vor und nach der politischen Wende 2.1 Bis 1989/90 Zur Zeit des Neubeginns der ungamdeutschen Literatur und auch bis zum Ende der 1980er Jahre stand die Forderung nach dem sozialistischen Realismus - nicht immer nur - theoretisch im Raum, welcher Begriff in Ungarn allerdings zu keiner Zeit auch nur annährend konkret definiert worden war. „Die höchste Stufe der Entwicklung der Dunst ist der sozialistische Realismus“, hieß es in den 1950er Jahren, und „Literat ur ist Ideologie“, weshalb die Kunst „in enger Verbindung mit dem Klassenkampf“ stehe und der Schriftsteller „aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft“ teilnehme (Horváth — Kosaras 1952: 10), wobei eine Nähe zur Volkstümlichkeit und in erster Linie Parteilichkeit unverzichtbar seien. Problematisch war für die Künstler, wenn sie der relativ schemenhaft niedergelegten Forderung des sozialistischen Realismus entsprechen wollten, dass sie den damaligen sozialistischen Alltag als besonders attraktiv darzustellen hatten, wodurch die in diesem Sinne entstandene Kunst vielmehr „als paradiesischer Realismus, als Kunst der erlösten Welt“ (Szilágyi 1992: 7) bezeichnet werden könnte. Zugleich mussten die Künsder den Klassenkampf, die Auseinandersetzung mit den westlichen Staaten als einen Kampf zwischen Gut und Böse darstellen, in dem der Ausgang nur mit dem Sieg der sozialistischen Weltrevolution vorstellbar war. Die diese Vorgaben einhaltenden, (deshalb auch gezwungener