Internationales Kulturhistorisches Symposion Mogersdorf 2007 in Kőszeg 3. bis 6. Juli 2007 (Szombathely, 2014)

Alois Ruhri: Kontinuität und Wandel in den Führungsschichten der Diözese Seckau 1867-1945

wurde. Andere Pfarren wie z.B. Gnas, Vorau, St. Stefan bei Stainz oder Eibiswald standen St. Anna am Aigen zahlenmäßig nicht viel nach. Die Rekrutierung des Priestemachwuchses aus dem bäuerlichen und kleinbür­gerlichen Milieu hatte zwangsläufig auch Auswirkungen auf die weltanschauliche Ausrichtung des steirischen Klerus in Richtung politischem Konservativismus. Sie prägte die ideologischen Auseinandersetzungen mit dem großbürgerlichen Libera­lismus und mit dem marxistisch orientierten Sozialismus. Eine erkleckliche Zahl von steirischen Priestern übernahm auch politische Ämter und Mandate. Bereits mit Beginn der konstitutionellen Ära im Jahre 1848 waren Priester bereit gewesen, sich vor allem als Vertreter der Landgemeinden in den Reichsrat und Landtag wählen zu lassen. Exemplarisch sei hier die Karriere eines steirischen Priesterpolitkers vorgestellt: Franz Prisching, geboren 1866 in Straden, 1890 in Graz zum Priester geweiht, 1891 bis 1900 mehrere Kaplansposten, 1900 Pfarrer von St. Stefan ob Leoben, 1906 Pfarrer und Dechant von Krieglach. 1906 wurde er Abgeordneter zum Reichsrat, 1909 Landtagsabgeordneter, 1919 steirischer Finanzlandesrat, 1924 1. Landeshauptmannstellvertreter, 1926 Lan­deshauptmann. Ungeschicktes Verhalten is einer Finanzangelegenheit zwang ihn allerdings schon nach kurzer Zeit zum Rücktritt als Landeshauptmann und zum Ausscheiden aus dem Politik. 1935 starb Prisching in Krieglach. Die politische Tätigkeit von Priestern verschärfte die latenten ideologischen Auseinandersetzungen zusätzlich - man denke hier z.B. an den als „Prälaten ohne Gnade” apostrophierten österreichischen Bundeskanzler der I. Republik, Iganz Seipel. Deshalb untersagte die Österreichische Bischofskonferenz 1933 die poli­tische Tätigkeit von Priestern generell, womit letztlich vielen Priestern 1938 eine politisch motivierte Konfrontation mit dem Nationalsozialismus erspart blieb. Der Vereinskatholizismus Das Bildungsbürgertum und die industielle Arbeiterschaft entfernten sich zwar zusehends von der Kirche. Doch dort, wo das katholische Milieu noch intakt war, wurde dieses um die Jahrhundertwende dichter und dichter besetzt: durch kämpfe­rische Katholikentage, durch die Christlich-Soziale Partei, durch die katholische Presse, nicht zuletzt durch eine neue Organisationsform der bürgerlichen Gesell­schaft: durch die Vereine. Im Spannungsfeld von Kirche und Gesellschaft bestand und entstand seit 1848 ein dichtes Netz kirchlicher Vereine. In der Historiographie gilt 1867 als das Jahr, in dem „jene Auseinandersetzung, die man den österreichischen Kulturkampf nennt” (Maximilian Liebmann) begonnen hat. Die am 21. Dezember 1867 beschlossene Verfassung legte im Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger die liberalen Menschenrechte und die Grundfreiheiten für Österreich verfassungsmäßig fest. Von Seite der Kirche wurden aber auch noch die „Maigesetze” von 1868 mit ihren Bestimmungen über Schule, 128

Next

/
Thumbnails
Contents