Szekszárdi Vasárnap 1998 (8. évfolyam, 1-27. szám)

1998-06-17 / 11. szám

14 SZEKSZÁRDI 1998. JÚNIUS 17. SEITE der Deutschen Minderheitenselbstverwaltung In der letzten Nummer des Zweiwochenblattes habén wir auf unserer Seite über unsere Jugend und von der Zukunft (mit Zuversicht) geschrieben. Auf unserer heutigen Seite wollen wir uns an die Vergangenheit unserer Vorfahren erinnern, an die Vergangenheit — die damals, — vor einem halben Jahrhundert — Gegenwart war. E s liegt ein Reichtum in den spaten Jahren. Noch einmal diirfen wir unser Leben neu in die Hand nehmen. Noch einmal diirfen wir umgestalten, was fest schien. Noch einmal erfiillt sich uns das Gliick, danken zu können. Jörg Zink Unsere Selbstverwaltung bekam zu Weihnachten eine Buchsendung aus Heidelberg von der Akademie für Áltere. Im Buch habén wir Lebenserinnerungen gelesen aus dem 20. Jahrhundert. Unter den 22 Autoren fanden wir auch einen Szekszárder. Da habén wir gedacht, sein Schreiben kann nicht nur der álteren Generation, sondern auch den Jüngeren ein Bild vom Alltagsleben dieser Iángst verga­genen Zeit geben. Wir ersuchten den Verfasser, möge er uns ges­tatten, dass wir einige Teile seines Schreibens in unserem Wochenblatt 'Szekszárdi Vasár­nap' veröffentlichen. Da er unserer Bitté Raum gab, wollen wir seine Erinnerung erscheinen lassen. Unseren Lesern und Leserinnen wün­schen wir viel Spass beim lesen! dr. Józan-Jilling Einleitung Beim Niederschreiben von Erinnerungen wird vergan­gene Gegenwart wieder lebendig und rückt als Bereicherung unseres Lebens wieder ins Bewusstsein. Das Erebte ist in der Erinnerung verankert, gehört zu uns, weil unser eigenes Leben betrof­fen wurde. Kinderjahre — Jugendjahre Wie es in den Schülen war? Die Gemeinde war zweisprachig. Die Hálfte waren Madjaren, die andere Schwaben. Ich wurde in einer echt schwábischen Familie geboren. Zu Hause wurde nur Deutsch gesprochen. Auf der StraBe und auf dem Spielplatz ging es aber Ungarisch. So erlernten wir Kinder beide Sprachen. Im Dorf gab es zwei Schulen, eine reformiert­kalvinistische und eine evangelisch-lutherische. Die Reformierten hatten nur ein Klassenzimmer, die Evangelischen aber zwei. Ich habe das Lernen in der evangelischen Elementarschule angefangen. Im Klassenraunt saBen die ersten drei Klassen beisam­men. Die Unterrichtssprache war Deutsch. Ich ging gern zur Schule. Wir hatten ein einziges Schulbuch, ein Heft, eine Schreibtafel mit Griffel, an welche ein kleiner Schwamm mit einem Faden befestigt war. Das war alles. An der Schultür hing eine 'GroBungarnlandkarte', in deren Mitte das blutende 'Rumpfungarn' eingezeichnet'war. Oben stand die Inschrift: „Kann das so bleiben? Nie, nie, niemals!" Der Unterricht begann jeden Tag mit einem Gebet, welches wir immer wie folgt beendeten: „Rumpfungarn ist kein Reich, GroBungarn das Himmelreich!" In der Klasse an der Wand hingen groBe Tafeln, auf denen Wortsilben aufgedruckt waren. Der Lehrer zeigte mit seinem langen Stáb auf einzelne Silben und lieB die Schüler lesen. Meistens ohne groBen Erfolg. Aber er wiederholte die Übung so oft, bis wir die Silben alle flieBend lesen konnten. Ich buchstabierte aber nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause, wo ich gerne selber den Lehrer spielte. Ich erinnere mich heute noch an jene Schulstunden, da ich zu Hause am Tisch Iaut gelesen und Sprüche vorgetragen habe. Schreiben iernten wir etwas spáter und zwar die gotischen Buchstaben. In dieser Schrift konnten wir mit unseren Stahlfedern sehr schön schreiben. In unserem Lesebuch waren einfache Geschichten, meist Fabeln. Diese muBten wir oft auswendig vor­sagen. AuBerdem Iernten wir jede Woche ein Kirchenlied, welches wir dann so lange übten, bis wir es gelernt hatten. In der zweiten und dritten Klasse habén wir die ungarische Sprache angefangen. Wöchentlich hatten wir 3-4 Stunden. Das Sprechen ging, aber das Lesen war sehr mühselig, denn in den paar Stunden konnte nicht viel geübt werden. Am Ende des Schuljahres gab es eine Prüfung in der Kirche. Meistens nach Pfingsten, am ersten oder zweiten Junisonntag. Wir Kinder waren alle festlich, feiertáglich gekleidet. In den Bánken saBen unsere Eltem und Verwandten. Alle woliten sehen und hören, welchen Erfolg der Lehrer mit seinen Schülern erzielt hatte. Bei dieser Prüfung war der Seelsorger, der in der Nachbargemeinde seinen Sitz hatte, auch anwesend. Er stellte seine Fragen meistens aus den Biblischen Geschi chten an die Kinder. Eine seiner Fragen lautete wie folgt: „Na, Kinder, was sagte der Herr zu Adam, als er ihn aus dem Paradies vertrieb?" Niemand meldete sich. Nach langer Pause hob ein Junge seinen Finger und antwortete: „Der Herr sagte zu ihm, man muB essen, bis man schwitzt." Der Pfarrer und alle muBten lachen. Die Elementarschule, die ich vier Jahre besuchte, bleibt mir ewig in Erinnerung. Es wurde deutsch gebetet, in Glaubensfragen war der Unterricht deutsch, auch das Lesen, das Schreiben, das Rechnen geschah in deutscher Sprache. Dieweil ich gerne und mit Erfolg lernte, empfahl der Herr Lehrer meinen Eltern, mich in die Bürgerschule zu bringen. Der Zweisprachige Nelu Bradean-Ebinger Es ist, als ob schon in den Wiegen der Sprachen zwei da liegen: die eine hier im Elternhaus, die andre auf der StraBe drauB'. Der Kindheit frohe Sprache zart im Schulhof und im Kindergart', der Jugendweihe Blumenkranz bei Polka, Walzer oder Tschardaschtanz. Zweier Sprachen muB er machtig sein, vermixt, verflixt, gediegen oder rein, im reifen Mannesalter auf der Wacht, wenn er redet, weint oder lacht. Erinnert er sich als altér Greis an Pircsi, Susi, Liebe heiB, tut er es in den Sprachen beiden, die ihn immer treu begleiten -, und scheint es manchmal noch so arg -, von der Wiege bis zum Sarg. So habe ich die folgenden vier Jahre, 30 km von meinem Heimatdorf entfernt, jeden Tag mit der Eisenbahn und zu FuB, in der Gemeinde Bátaszék in der Bürgerschule verbracht. Diese vier Jahre waren sehr anstrengend. Trotzdem habe ich alle Schwierigkeiten gámeistert. Und obwohl der Anfang nicht der beste war, habe ich die Bürgerschule mit gutem Erfolg beendet. Nach der Endprüfung in der Bürgerschule, kam es zu einer Aufnahmeprüfung an der Lehrerbil­dungsanstalt zu Baja/Frankenstadt. Es muBte ein jeder Junge ein Márchen erzáhlen, ein Kirchenlied singen und ein kurzes Gedicht vortragen. Dieweil ich aber nur deutsche Kirchenlieder kannte, wurde mir erlaubt, anstatt des Kirchenliedes ein Volkslied aus meinem Heimatdorf zu singen. Dies habe ich in der Mundart meines zweisprachigen Heimatdorfes gesun­gen. Den Professoren gefiel es, und ich ward_^ aufgenommen. Fünf schöne Jahre folgten nun. IcI^B wohnte in einem Schulheim, bekam gute Verpflegun^^ und konnte mit viel FleiB, mit starkem Willen mein Studium mit den besten Noten beenden. Ich wurde Grundschullehrer für die Volksschule in ungarischer und deutscher Sprache. In diesen Jahren gab es in Ungarn zu viele Lehrer und zu wenig Stellen. Ich bewarb mich um die Kantorlehrerstelle zu Zsibrik und wurde gewáhlt als stellvertretender Levit- und Kantorlehrer für ein Schuljahr. Aus diesem einen Jahr wurden fast drei. Ich hatte gerne weiterstudiert, aber das Weiterlernen kostete damals zu viel. Dies konnten meine Eltern nicht mehr finanzieren. So blieb ich auf dem Lande und begann mein Leben als Schulmeister, als, Kantor und Levit. In der Gemeinde lebten an die 500 Seelen. In der Schule hatte ich 35 Alltagsschüler und 14 Wiederholungsschüler. Sonntags predigte ich und ver­sah die Stelle des Kantors. Im Dorf lebten nur Deutsche. Die ganze Gemeinde war evangelisch. Der Pfarrer lebte im Nachbardorf und kam nur zu groBen Feiertagen zu uns. Die Unterrichtssprache war deutsch. Ungarisch Iernten die Kinder wöchentlich 4­5 Stunden. An der Schultür war die gleiche GroBungarnlandkarte mit derselben Inschrift wie zu meiner Schulzeit angebracht. Ich fühlte mich wohl. Es war für mich eine groBe Freude, daB ich als 19jáhriger Lehrer eine recht gute Stelle erreichen konnte. In der Freizeit habe ich viel gelesen und verschiedene Weiterbildungskurse mitgemacht. Dies kam mir spater zugute.

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