Szekszárdi Vasárnap 1993 (3. évfolyam, 1-51. szám)

1993-03-28 / 12. szám

t , SZEKSZÁRDI 18 WSARIMP Deutsche Seite. Ludwig Fischer: Die Nacht (Fortsetzung) n. Kleine weiBe Sterne zitterten weit oben am kal­ten Himmel. Es schneite nicht mehr. Der Dicke warf mir noch einen Fluch nach. „Verschwinde vom Gelánde der Eisenbahn, du Hurenbengel, sonst kracht's!" Meine Holzpantoffeln klopften hart auf den eisi­gen Bahnschwellen. Eins-zwei-drei-vier, eins-zwei­drei-vier. Ich machte mich zu FuB auf den weiten Weg nach Oberdorf. Eins-zwei-drei-vier. Der Schnee knirschte. 12 Kilometer Nacht, 12 Kilometer eisige Bahnschweller, 12 Kilometer Angst, 12 Kilo­meter Kalte, 12 Kilometer Stille. Ich wollte am lieb­sten weinen, ich wollte ein trauriges Liedchen sin­gen. Ab und zu blieb ich stehen, horchte in die Nacht. Folgte mir jemand? Dann ging's weiter. Es war nur ein Schatten. Nebel lag auf der Strecke. Lie­be Gottesmutter, du, steh mir bei! Bahnwáchterhau­schen schlummerten im Schnee. Nicht fíirchten, kei­ne Angst! Mach's nur, bist ja schon 13! Aus der Ferne sah ich wieder die Lichter eines Dorfes... Nicht hal­tén, nur weiter auf den rutschigen Schwellen! Als ware es die Ewigkeit, die Unendlichkeit gewesen. Die Stille, die rauhreifige Stille schrie. Am Vormit­tag, als wir mit der Draisine durch den Wald rasten, waren die Biiume dort im weiBen Schnee wie aus weiGer Seide und Puderzucker. In der Nacht war aber alles unheimlich. Ab und zu sausten eisige WindstöBe aus dem Wald, schmerzhaftes Áchzen, Pusten schauderte mir nach. Ich stand wie gelahmt. Und dann kam das Rappeln aus dem Dickicht. Ich wollte schreien, wollte weglaufen, konnte mich aber nicht rühren. Etwas lief der Böschung zu. Nicht weit von mir. Es sprang hoch und fiel zwischen die Schie­nen. Ich ging náher. Die Nacht lag wieder regungslos im Wald. Nur das ferne Áchzen im Wald. Ich ging noch naher. Ein Hase! Ein stilles Zucken durch­schauderte das Tier, dann wurde es ruhig. Ich wollte, der Hase springe auf, laufe in den Wald zurück, aber er rührte sich nicht. Als ich ihn anfaBte, blieb warmes Blut an meiner Hand. „SchoB man dich an, armer Hase!? Ich wollte, du könntest zurück in den Wald." Weit im Walde knallte es wieder. Ich nahm den Ha­sén auf die Schulter und setzte mich in Bewegung. Ich wollte rasch weg von der Stelle, daB die Jiiger mich nicht schnappen. Ich wischte dem Hasén mit Schnee das Blut vom Feli. Ich dachte nicht mehr an Furcht und Angst, ich wollte nur weg mit dem Ha­sén. Angst und Furcht wurden zur Freude. Vor Freude hátte ich am liebsten gesungen, laut hatte ich gesungen. Meine Holzpantoffeln klopften lustig auf den Bahnschwellen. Eins-zwei-drei-vier und wieder eins-zwei-drei-vier. Ich bringe einen Hasén, einen ganz groBen Hasén bringe ich! Jetzt werden auch wir Fleisch essen. Vater, Mutter und ich. Das werden wir! Ich weiB, daB wir es tun werden. Ich dachte nicht mehr an die Bürgerschule, an meine Prüfungen, nur an Vater und Mutter, an die Überraschung, die ich mitbringe. Seit Monaten hatten wir nur Kartoffeln, Maismehl und ganz wenig Brot. Gekochte Kartof­feln. Für Vater drei, für Mutter und fur mich nur zwei. Ab und zu eine dünne Kartoffelsuppe. Jetzt bringe ich aber einen Hasén, einen verdammt Status Der Februarabend ist ungewönlich kait. Ein bau­fálliges zum Tode verurteiltes Haus mit Salpeteraus­scheidung an den Wanden, kurz vor dem AbreiBen. Eine zugige Wohnung im Souterrain, abbröckelnder Putz, von Rissen durchwobene Fensterscheibe. Ein kalter Teeherd, auf dem Boden des Pappkartons ein paar Stück Kohlén, gespaltetes Brennholz. Eine buk­klige Liege mit herausragenden Federn, ein altér Mann mit offenem Mund im Wintermantel, eine mottenzerfressene Decke, müdes Schnarchen, schmale Speihelrinne am Kinn. Eine fröstennde, zu­sammengekaurte Katze mit leuchtenden Augen. Hereinspahendes StraGenlicht, vorbeihuschende Autós, aufblitzende Scheinwerfer. Eine schlaflose, schwere Nacht, ein Sich-Herumwalzen. Zahnen­klapperndes Erwachen im Morgengrauen, lungen­krankes Gekrachze, bitterer Mund, zwei Sprachlos auf nüchteren Magén, verbrauchte Luft. Ausgestorbene StraBe, dichter Nebel, knarrander Handkarren. Altér Mann mit hochgeschlagenem Kragen und löchrigen Handschuhen. Eisiger Atem, Müllkontainer. Ein Wühlstock in den Untiefen der Mülltonen, zitternde Hande in der Papiertüte. Selek­tieren. Brotstücke, ein Einmachglas mit schimmel­besetzter Marmelade, Salamihaut. Mülltonne nach Mülltonne, am Rande der Neubausiedlung. Wagen­knarren. Ein Haus mit Garten, einsame Mülltonne auf dem Gehsteig. Der beste Fang heute. Wertsa­chen: Kleider(noch brauchbar)Hühnerknochenmit Fleisch dran (für die Katze), leere Flaschen (gegen den Pfendbetrag ablieferbar) kaum ausgetrocknete Schinkenbrote (ebenfals für die Katze). Und das alles findet sich bei uns, in unserer Stadt. in unserem Alltag. - b ­1993. MÁRCIUS 28. Wenn wir uns einbilden, alles sei verloren, fangt nur etwas Neues, GUTES an. (L. Tolstoi) groBen Hasén, einen schweren Hasén. Da gibt's ei­nen Braten, auch Gulaschsuppe. Die Beine schmer­zen mir immer heftiger, die Holzpantoffeln rutsch­ten immer mehr, aber schön drauf los! Eins-zwei­drei-vier. Sie ahnen es noch nicht, daB ich bei Nacht und Wind einen Hasén, einen verdammt groBen Ha­sén bringe. Eine ganz tolle Überraschung! Wir wer­den einen ganz prima Braten essen! Ich hatte schon den feinen Knoblauchgeruch in der Nase... Die Ster­ne erbleichten allmahlich am Himmel, aus der Ferne leuchteten mir fahle Lichter zu. Oberdorf. Hie und da bellte ein Hund in die Stille. Kaft knirschte der Schnee. Zuerst kam Vater aus der Bude. „Junge!" Ér eilte mir zu. „Ich wollte mich schon im Morgengrauen auf den Weg machen, um dich in GroBdorf zu suchen." „Ich habe den Zug nicht mehr erreicht." Dann kam auch Mütterchen. „Mein Kind!" g Und wir standén dort in der kalten Nacht, Vateif Mutter und ich. Wir merkten auch die nasse Kálte nicht. Vater meinte spater. „Du hast ja einen verdammt groBen Hase mit, Junge!" „Aus dem Wald. Man hat ihn angeschossen." „Das hast du ganz schön geschafft!" Mutter machte warmes Wasser. Ich muBte ein warmes FuBbad nehmen. Bald lagen wir in einer Reihe auf der Pritsche un­ter Vaters Lagerdecke. Es kam aber kein Schlaf in un­sere Augen. Der Wind rüttelte am kleinen Fenster der Bude, wehte eisigen Schnee vorbei, wir kuschel­ten uns aber in die warme Decke und erzáhlten. Und drauBen vor der Holzbude graute kaum merkbar der Morgen. Josef Michaelis landbemerkung IX. (Aus dem sechsten Buch Moses) Balkanisierung Und es begab sich als Abel und Kain auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Brúder Abel und schlug ihn tot... Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, daB ihn niemand erschlüge, der ihn fande... Und Kain wohnte im Lande Nod, jenseits von Eden, gegen Osten... Joaehim Ringelnatz Hafenkneipe In der Kneipe „Zum Siidwester" Ballt sich mancmal eine Hand, Knallt ein Möbel an die Wand. Doch in jener selben Schenke Schaumt um eifaehe Getránke Durch die Fensterscheibe aber tráumt ein Schatten Derer, die dort einmal Oder keinmal Abcnteurliche Freunde hatten.

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