Die Erste internationale Jagd-Ausstellung Wien, 1910. Wien-Leipzig, 1912 / Sz.Zs. 424
II. TEIL. Die Ausstellung und das Jagdwesen - II. ABSCHNITT. Die Jagd und deren Betrieb
Der Hund und die Jagd. der Treiber nicht zu gelangen vermag, dort das Wild zu beben und unter lautem Hälfe an die Schüben zu bringen, die ihre Stände an den Wecbfeln einnehmen. Die Triebe müffen, um Erfolg zu haben, im Gebirge meift iebr groß genommen werden; der Hund verrichtet daher beffere Treiberdienfte als der Menfcb und ift fomit ein dem Bergjäger unentbehrlicher Gehilfe. In der grünen Steiermark werden zumeift die fogenannten »Brandl« oder »Vieräugl« verwendet, fcbwarze Hunde mit roftbraunen Abzeichen an den Extremitäten und ebenfolchen Punkten über den Augen, die ihnen die Bezeichnung »Vieräugl« eintrugen. Intereffante und aufregende Momente bringt die Jagd mit Bracken. In feierlicher Ruhe liegt fcbweigend die Bergwelt vor unterem Blicke. Endlich fällt der Hebfcbuß, deffen Hall donnernd die Wände entlang rollt — und jetjt kommt Leben in die Natur. Leite klingt ein fchüchterner Laut des erften Hundes, der gefunden bat, an unfer Ohr — dann fällt ein zweiter mit höherem Klange, und tief unten in einem Graben beginnt die Jagd. Immer näher kommt fie, der Laut der Hunde wird immer beller und giftiger, um plötjlicb wieder zu verftummen. Wieder läßt er ficb hören und diesmal ift es ernft. Jeder Schlaglaut ift vernehmlich, es knackt im Holze, bricht heran — und nun kommt in voller Flucht durch das kniehohe Unterbolz eines alten Deutfcber kurzhaariger Vorftebbund. Schlages ein Hirfch auf unteren Stand zu, dicht hinter ihm die Hunde. Die Bücbfe bebt ficb und fcbmiegt ficb feft an die Wange — jet)t ift der Hirfch auf fechzig Schritte breit vor uns — und nun knallt es. Mit einer himmelhohen Flucht quittiert der Geweihte den Blattfcbuß und rollt, mit den Läufen fcblagend, den Hang hinab. Im Mittelgebirge, wo das Terrain weniger fcbarf ift, wird mit vielem Vorteile die Dacbsbracke verwendet. Sie ift fcbnell genug, um hinter dem Wilde zu bleiben, jagt aber nicht mit jenem Elan, wie die hochläufigen Wildbodenbunde, weshalb das Wild auch langfamer und vertrauter an die Schüben kommt. Die Dacbsbracke wird bauptfäcblicb zur Jagd auf Rehwild, Hafen und Fücbfe verwendet und läßt ficb infolge ihrer zumeift fehr fieberen Nafe gut zur Scbweißarbeit gebraueben, ift überhaupt ein kluger und intelligenter Hund. Die vermiedenen Laufhundraffen, deren man ficb zur Parforcejagd mit dem Pferde bedient, einzeln hier aufzuzählen, muß leider aus Gründen des Raummangels unterlaffen werden. Es find meift boebläufige, fcbnelle, ausdauernde Hunde, denen ein Galopp von mehr als einer Stunde ohne Unterbrechung nichts anhat. Ein frobbewegtes Bild ift es, wenn die buntgefärbte Meute hinter einem Schwarzkittel oder Reineke oder auch einem Hirfcbe über die Stoppelfelder dahinfegt, lauten Halfes den Reitern im roten Rocke ihren Weg weifend. Ein origineller Burfcbe ift der Baffet, der niedere lange Hund mit den mächtigen Behängen, den eigentümlich melancholifchen Augen und feinem farbenbunten Haarkleid. Er ift ein langfamerer aber ge= wiffenbafter Stöberbund, der in den dichtverfilzten Geftrüppen des Flachlandes wunderbar feinen Mann ftellt, wenn es ficb darum bandelt, die flinken Kaninchen an die Schüben zu bringen. Ähnliche Aufgaben fallen den verfebiedenen Abarten des Spaniels zu; fie fueben im UnterGordonfetter. wuebfe und in den Dickungen das Wild auf: Hafen, Kaninchen, Fafanen und Schnepfen, ftöbern unermüdlich, keinen Winkel, keinen Bufcb undurchfucbt laffend. Ihre feine Nafe leitet fie richtig und fieber bringen fie das Wild zu Scbuffe, um es dann fauber und zuverläffig ihrem Herrn zu apportieren. Der Spaniel, der in feiner Heimat jenfeits des Kanals febon feit Jahrhunderten zur Stöberjagd verwendet wird, hat jetjt auch auf dem Kontinente Eingang bei den Jägern gefunden und beginnt ficb fteigernder Beliebtheit zu erfreuen. Er ift leicht zu dreffieren, von fympatbifebem Temperament, lebhaft und doch kein Wildling, folgfam, anbänglich und bekundet große Ausdauer. Nun find wir auf einem Gebiete angelangt, bei dem wir länger verweilen müffen, bei der Feldjagd und damit bei den verfebiedenen Raffen des Hübner- oder Vorftehbundes. Die bauptfäcblicb in Betracht kommenden Raffen find die drei Varietäten des deutfehen Vorftehbundes: Kurz-, Lang- und Stichelhaar, der franzöfifebe Griffon, ferner vier Varietäten des englifeben Hübnerbundes: Pointer, Englifcb-, Irifcbund Gordonfetter. Während der Engländer feinen Hübnerbund faft ausfcbließlicb dazu verwendet, das Wild — Rebhuhn, Fafan etc. aufzufueben und vorzufteben, feiten nur dazu, das Gefcboffene zu apportieren, zu welchem Zwecke er den eigens hierzu dreffierten Retreiver benütjt, bat der deutfebe Vorftebbund ein bei weitem ausgedehnteres Arbeitsfeld. Das deutfebe Weidwerk ift auch anders angelegt als dasjenige der Engländer. Drüben fällt es beifpielsweife dem Jäger nicht ein, den Fuchs mit dem Schießgewehr zu erlegen, böcbftens dort, wo eine Fafanerie beftebt. Der Herr von Malepartus wird parforce gejagt, im roten Rocke, auf gut eingefprungenem Hunter. 106